Das Flugblatt mit der «wichtigen Mitteilung» flatterte in den letzten Wochen in Hunderttausende von Briefkästen. Es warnt vor der Annahme des neuen Stromgesetzes, über das am 9. Juni abgestimmt wird. Ein Ja zur Vorlage hätte horrende Kostenfolgen und würde Kunden der Willkür der Elektrizitätswerke aussetzen, steht im Flugblatt der «Allianz gegen das Stromgesetz». Sie besteht nach eigenen Angaben aus «Fachpersonen im Bereich Elektrizität». Auf der Internetseite sind fünf diplomierte Ingenieure als Mitglieder genannt.
Die Flugblatt-Verfasser warnen vor zusätzlichen 10'000 Franken Mehrkosten pro Haushalt bis ins Jahr 2050. Der Ausbau und die Erneuerung des Stromnetzes würden bis zu diesem Zeitpunkt mindestens 82 Milliarden Franken verschlingen. Diese Zahl stammt aus einem Bericht des Bundesamtes für Energie. Darin wurden verschiedene Kostenszenarien entwickelt.
Die 82 Milliarden sind eine Schätzung. Aber auch unabhängig von der Abstimmung muss das Stromnetz erneuert und ausgebaut werden. Und es braucht Investitionen für den Umstieg auf Elektroautos und Wärmepumpen. Das hat das Stimmvolk schon mit der Annahme des Energiegesetzes 2017 beschlossen.
Johann Widmer, Unternehmer und SVP-Gemeinderat der Stadt Zürich, ist der Sprecher «Allianz gegen das Stromgesetz». Er schreibt saldo: «Der massive Ausbau ist nur nötig, weil so viele neue dezentrale Energieproduzenten mit Sonnenenergie und Windenergie am Netz angeschlossen werden müssen. Das wird den Haushalten belastet.»
Laut der Allianz müssen bei Annahme des Stromgesetzes alle Haushalte neue digitale Stromzähler installieren. Diese messen nicht nur den Stromverbrauch, sondern auch, wann und wofür die Haushalte Strom verbrauchen. Die Geräte übermitteln die Daten an das Elektrizitätswerk. Schon heute steht aber in der Stromversorgungsverordnung, dass Netzbetreiber die Haushalte bis zum Jahr 2028 mit solchen Systemen ausstatten müssen. Die Abstimmung am 9. Juni hat keinen Einfluss mehr darauf.
Strahlung neuer Messgeräte kaum feststellbar
Das Flugblatt kritisiert auch die Strahlung, die von den funkenden Geräten ausgehe. Gemäss einer Studie der ETH Zürich ist aber die zusätzliche Strahlung kaum messbar. Der Zähler sendet die Daten ausserdem nicht laufend, sondern nur einmal pro Tag an das Elektrizitätswerk.
Das neue Stromgesetz erlaubt den Netzbetreibern, flexible Preise einzuführen. Laut Allianz könnte sich der Strompreis künftig innert 15 Minuten verdreifachen. Unbestritten ist: Das Stromgesetz will Anreize schaffen, damit das Netz möglichst gleichmässig belastet wird. Autofahrer sollen zum Beispiel ihr Elektroauto dann laden, wenn Strom im Überfluss vorhanden ist. Kunden könnten von solchen unterschiedlichen Tarifen also auch profitieren – wie heute durch den Hochund Niedertarif.