Conrad Amman, Chef der Baselbieter Primeo Energie, gab Anfang Mai bekannt, er rechne für das nächste Jahr mit einer Strompreiserhöhung von 20 bis 25 Prozent. Dasselbe sagte kurz darauf der Geschäftsleiter der AEW Energie AG in Aarau. Auch die Zuger WWZ liess verlauten, sie gehe von einer «erheblichen Tariferhöhung» aus. Für Haushalte wäre das bitter. Denn sie können ihren Stromlieferanten im Gegensatz zu Industrie und Gewerbe nicht frei wählen. Sie sind an den örtlichen Monopolisten gebunden.
Schlägt der reine Strompreis ohne Netznutzung und Abgaben um 25 Prozent auf, kostet das einen Haushalt mit einem durchschnittlichen Jahresverbrauch von 4500 Kilowattstunden fast 100 Franken mehr pro Jahr. Weitere 20 Franken kommen wegen bereits angekündigter höherer Tarife fürs nationale Übertragungsnetz dazu. Sollten auch noch die Preise für die Nutzung der Netze von regionalen und lokalen Stromversorgern sowie Gemeindeabgaben steigen, drohen einem Durchschnittshaushalt Mehrkosten von über 200 Franken.
Klar ist: Die Grosshandelspreise für Elektrizität erhöhten sich stark. 2021 kletterte der Terminmarktpreis der europäischen Energiebörse in Leipzig (D) für Strom im Folgejahr von 53 auf 229 Euro pro Megawattstunde. Für Stromversorger, die keine oder nur wenig Elektrizität selbst produzieren und grosse Mengen an der Strombörse einkaufen, geht das ins Geld. Die Kosten überwälzen sie auf die Konsumenten. Gemäss Elektrizitätsstatistik des Bundes produzierten Schweizer Elektrizitätswerke letztes Jahr rund 60 Terawattstunden (TWh) Strom. Davon exportierten sie im Sommerhalbjahr direkt und über Börsen 29 TWh. Der Import im Winterhalbjahr betrug 31,5 TWh, der Landesverbrauch 62,5 TWh. Das ist nur wenig mehr als die Eigenproduktion.
Viele Stromversorger machten in den vergangenen Jahren sehr gute Geschäfte. saldo warf einen Blick in die drei letzten Jahresabschlüsse von 30 Unternehmen. Deren Gewinne summierten sich allein 2021 auf über 1,58 Milliarden. Die drei Jahre ab 2019 zusammengenommen, sind es gar 5,36 Milliarden. Von den 30 Betrieben schrieb nur Alpiq Verluste – unter anderem wegen der ungeplanten Verlängerung der Revisionsarbeiten im AKW Leibstadt.
Bei Stromversorgern, die den Bedarf ihrer Kunden weitgehend oder vollständig aus Eigenproduktion decken, ändert sich an den Kosten wenig bis nichts. Das trifft etwa auf die Berner BKW und das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (EWZ) zu. Die BKW erklären denn auch, Haushalte in ihren Versorgungsgebieten würden von den Preisschocks an den Strombörsen grösstenteils verschont bleiben. Sie müssten wie bisher «nicht den Marktpreis bezahlen, sondern die Kosten für die Stromproduktion in den BKW-eigenen Kraftwerken». Auch das EWZ kündigt an, für Haushalte in seinem Versorgungsgebiet werde der reine Strompreis stabil bleiben. Wie die BKW weist es aber darauf hin, dass die höheren Tarife für das nationale Übertragungsnetz die Stromrechnung dennoch verteuern dürften.
Tarife für nächstes Jahr werden im August bekanntgegeben
Grössere Aufschläge drohen den Haushalten, deren Elektrizitätsversorger wie etwa Primeo Energie, Romande Energie, WWZ und EKZ viel Strom auf dem Markt einkaufen müssen. In der Regel machen sie das aber bis zu drei Jahre im Voraus zu abgesicherten Preisen. Darum dürften die aktuell hohen Preise an der Strombörse erst in zwei bis drei Jahren voll bei den Endkunden ankommen. EKZ- Sprecher Christian Schwarz sagt, die EKZ hätten in den vergangenen Jahren dank tiefer Marktpreise zu den günstigsten Versorgern der Schweiz gezählt. Das trifft zu, wie Erhebungen des «K-Tipp» zeigen (19/2020, 16/2019 und 15/2018). Schwarz: «Selbst wenn wir die Tarife erheblich anheben müssten, würden wir nicht zu den teuren Anbietern gehören, da wir ja von einem tiefen Niveau aus starten.»
Ende August ist klar, wie viel die Schweizer Haushalte nächstes Jahr für Strom zahlen werden. Bis dann müssen die Stromversorger ihre Tarife für 2023 veröffentlichen.