Die Ausgleichskasse Luzern verweigerte einer 55-jährigen Frau für die Jahre 2017, 2018 und 2019 die Verbilligung der Krankenkassenprämie. Grund: Die Frau besitzt Wohneigentum. Die Kasse rechnete den Eigenmietwert zum Einkommen. Dagegen reichte die Frau Beschwerde ein.
Bei der Verhandlung am Kantonsgericht Luzern ist die Frau von einem Rechtsanwalt vertreten. Er argumentiert vor dem Einzelrichter mit dem effektiv erzielten Einkommen seiner Mandantin. Die Voraussetzungen für eine Prämienverbilligung seien erfüllt. Die tatsächlichen Einkünfte der Frau seien stets unter der relevanten Grenze der kantonalen Verordnung für die Prämienverbilligung gewesen. Der Eigenmietwert sei rein fiktiv, also kein reales Einkommen, gibt der Anwalt zu bedenken: «Mit dem Eigenmietwert kann sie weder in der Migros einkaufen noch die Krankenkassenprämien bezahlen.»
Steuerbares Einkommen ungerechtfertigt erhöht
Der Eigenmietwert basiere darauf, dass ein Hauseigentümer im Gegenzug die Schuldzinsen für die Hypothek abziehen könne, sagt der Anwalt. Bei den aktuell tiefen Hypothekarzinsen gerate dieses System in Schräglage: Es erhöhe das steuerbare Einkommen in ungerechtfertigter Weise.
Die Vertreterin der Ausgleichskasse sieht das anders. Für die Steuergerechtigkeit sei der Eigenmietwert nötig. Aus Gründen der Gleichbehandlung sei der Eigenmietwert bei der Prämienverbilligung ebenfalls anzuwenden. «Wir halten an den drei Entscheiden fest», bekräftigt sie gegenüber dem Einzelrichter.
«Ausgleichskasse hat kaum Zeit für aufwendige Abklärungen»
Die 55-jährige Klägerin ist aus einem weiteren Grund mit der Ausgleichskasse nicht einverstanden. Die Kasse zog jeweils die letzte rechtskräftige Steuerveranlagung heran, um den Anspruch zu berechnen. 2018 sank das Einkommen der Frau aber deutlich, da sie eine Stelle antreten musste, in der sie weniger verdient.
Sie reichte eine Kopie der Steuererklärung für 2018 ein. Doch die Ausgleichskasse berücksichtigte das tiefere Einkommen bei der Prämienverbilligung 2018 und 2019 nicht. Begründung: Es liege noch keine rechtskräftige Steuerveranlagung vor. Der Anwalt der Klägerin betont aber: Das Gesetz des Bundes verlange wörtlich, dass «die aktuellsten Einkommens- und Familienverhältnisse berücksichtigt werden» müssten. Es dürfe nicht sein, dass es von «Zufälligkeiten und vom Arbeitstempo des Steueramts abhängt, ob jemand eine Prämienverbilligung erhält oder nicht». Und es gehe auch nicht, tiefere Einkommen nur dann zu berücksichtigen, wenn eine gewisse Schwelle überschritten werde. «Hinzu kommt, dass die Frau verschiedene Verfügungen der Ausgleichskasse gar nie erhalten hat.»
Die Vertreterin der Ausgleichskasse entgegnet, Prämienverbilligungsentscheide seien «Massenverwaltungsgeschäfte», die keine aufwendigen Abklärungen zulassen würden. Mache jemand geltend, dass das Einkommen wesentlich gesunken sei, erfolge eine neue Prüfung. Es müssten mindestens 25 Prozent Unterschied sein. Die Frau habe die Frist für eine Neuberechnung allerdings verpasst. Das bestreitet die Gegenseite. Die entsprechenden Briefe der Ausgleichskasse seien gar nie bei der Frau eingetroffen.
«Wohneigentümer nicht benachteiligt»
Der Einzelrichter schliesst die Verhandlung. Zwei Wochen später verschickt er das schriftliche Urteil. Bei der angeblich verpassten Frist gibt er der 55-Jährigen recht. Die Ausgleichskasse könne nicht nachweisen, dass ihre Briefe im März 2019 zugestellt worden seien. Deshalb sei der Anspruch für die Jahre 2018 und 2019 neu zu berechnen, sobald die rechtskräftige Steuerveranlagung vorliege. Offen lässt das Kantonsgericht, ob die im Kanton Luzern verlangte Einkommensreduktion von mindestens 25 Prozent zulässig ist. Das sei allenfalls später zu entscheiden.
Beim Eigenmietwert lässt das Kantonsgericht die 55-Jährige abblitzen. Eine Diskriminierung von Wohneigentümern gegenüber Mietern liege nicht vor. Der Eigentümer könne Hypothekarzinsen, Kosten für den Unterhalt und weitere Beträge steuerlich abziehen. Dem Mieter sei ein vergleichbarer Abzug verwehrt, obschon er mit dem Mietzins entsprechende Auslagen mitfinanziere. Gäbe es den Eigenmietwert nicht, wären Mieter benachteiligt. «Für den Bereich der Prämienverbilligung drängt sich keine abweichende Beurteilung auf», heisst es im Urteil.
Das Verfahren ist kostenlos. Die Ausgleichskasse muss aber der Beschwerdeführerin eine reduzierte Prozessentschädigung von 700 Franken zahlen. Die Frau erwägt, das Urteil ans Bundesgericht weiterzuziehen.
Prämienverbilligung: Beschwerde kann teuer sein
Gegen Entscheide des Kantons über die Verbilligung der Krankenkassenprämie kann Einsprache erhoben werden. Daraufhin wird die Sache von der gleichen Instanz nochmals geprüft. Fällt der Entscheid erneut negativ aus, ist eine Beschwerde möglich. Hier gibt es kantonale Unterschiede. Im Kanton Luzern ist das Kantonsgericht dafür zuständig. Das Verfahren ist kostenlos. Anderswo können zum Teil hohe Gebühren anfallen. Im Kanton Bern zum Beispiel ist die Direktion für Inneres und Justiz zuständig. Wer unterliegt, zahlt in der Regel eine Gebühr von 1000 Franken.