Streit um Notärzte im Aargau
Im Kanton Aargau will eine Notarztpflicht für Rettungsdienste einführen. Damit sind viele Sanitäter nicht einverstanden.
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saldo 18/2020
03.11.2020
Letzte Aktualisierung:
04.11.2020
Christian Gurtner
Der saldo-Beitrag «Schwere Unfälle: Nicht überall rücken Notärzte aus» (saldo 17/2020) blieb nicht unwidersprochen. «Nur bei einem Prozent der Einsätze ist es notwendig, dass ein Notarzt anwesend ist&r...
Der saldo-Beitrag «Schwere Unfälle: Nicht überall rücken Notärzte aus» (saldo 17/2020) blieb nicht unwidersprochen. «Nur bei einem Prozent der Einsätze ist es notwendig, dass ein Notarzt anwesend ist», schrieb zum Beispiel Patrick Mathez aus Dintikon AG der Redaktion. In solchen Fällen könne der Notarzt ohne Probleme durch die Luftrettung vor Ort gebracht werden. «Ist dies wetterbedingt nicht möglich, sind wir Rettungssanitäter in der Lage, den Patienten so lange zu stabilisieren, bis wir ins nächste Spital kommen.»
Dirk Offel aus Suhr AG schrieb, das «alleinige Vorhandensein eines Notarztes» mache «das Überleben eines Patienten nicht zwingend wahrscheinlicher». Und Michael Thoma aus Lenzburg AG wies auf die Ausbildung und Erfahrung der Rettungssanitäter hin: «Unsere Anästhesiepflege ist routiniert im Umgang mit Intubationen.» Die meisten Kantone mit einem Notarztsystem bei den Rettungsdiensten würden «nur» Notärzte in Ausbildung beschäftigen. Das seien keine Fachärzte, und diese seien nicht routiniert.
Fünf weitere Kantone ohne Notarztpflicht
Weshalb diese geballte Kritik aus dem Kanton Aargau? Laut dem kantonalen Gesundheitsdepartement wird im Aargau über eine Notarztpflicht für Rettungsdienste debattiert. Ausrückende Fahrzeuge müssten künftig zusätzlich zu den Rettungssanitätern zwingend einen Notarzt aufbieten können. Dagegen wehren sich die Rettungssanitäter.
Aktuell betreiben im Aargau acht Spitäler an neun Standorten einen Rettungsdienst. Dazu kommen zwei private Ambulanzen. Der Aargauer Regierungsrat kündigte im August an, seine gesundheitspolitische Strategie zu überprüfen. Bereits vor fünf Jahren war ein Strategiepapier in die Vernehmlassung geschickt worden. Darin bewertete der Kanton die Situation ohne Notarztpflicht als einen «Mangel». Ein Notarztsystem gehöre heute in der Schweiz zum medizinischen Standard. Der Aargau müsse zu anderen Kantonen aufschliessen.
Neben dem Aargau fehlen Notärzte in Ambulanzen heute auch in den Kantonen Bern, Glarus, Graubünden, Schaffhausen und Zug. In diesen Gebieten kann es vorkommen, dass sich auch bei Patienten in Lebensgefahr nur ein Rettungssanitäter und ein Transportsanitäter vor Ort um den Patienten kümmern. Viele Sanitäter fassen die Forderung nach einer Notarztpflicht als Kritik an ihren Kompetenzen auf.