Fast zwei Jahre dauerte das Hin und Her um einen alten Cola-Automaten – ohne Resultat: Der Verkäufer kam der unzufriedenen Kundin nicht entgegen. Sie blieb hartnäckig und reichte schliesslich Klage ein. Nun treffen sich die beiden vor dem Einzelrichter am Regionalgericht Oberland in Thun BE. Rechts sitzt die junge Käuferin – eine stille, fast scheue Person–, daneben ihr Anwalt. Und auf der linken Seite sitzt der Beklagte: ein gewiefter Verkäufer im Rentenalter. Auch er erschien in Begleitung eines Anwalts.
Der Anwalt der 23-jährigen Frau begründet die Forderung. Sie kaufte im Herbst 2018 beim beklagten Raritätenhändler einen Cola-Automaten aus den 1950er-Jahren. Dafür legte sie nach der Besichtigung 11 500 Franken bar auf den Tisch. Im Kaufvertrag sei ihr zugesichert worden, der Cola-Automat werde «unrestauriert» und wie besichtigt geliefert. Der Verkäufer habe sich aber nicht daran gehalten, sondern den Automaten bemalt, «womöglich aus einem betriebsinternen Missverständnis», sagt der Anwalt.
Nach der Lieferung des Geräts habe die Kundin den frisch nachgemalten Schriftzug noch am gleichen Tag gerügt. Kurz darauf holte ein Mitarbeiter des Verkäufers das Gerät ab und entfernte in der Werkstatt die Farbe. Dabei seien Kratzer entstanden. Die einzelnen Stadien seien aus den eingereichten Fotos ersichtlich. «Meine Klientin will den Automaten nicht mehr und fordert ihr Geld zurück», sagt der Anwalt. Der Automat steht bis heute beim Händler.
Der Anwalt des Verkäufers schildert einen ganz anderen Sachverhalt. Die Kundin habe gefragt, ob man den Schriftzug nachziehen könne. Diesem Wunsch sei der Verkäufer nachgekommen. Sein Mandant habe das Logo «sicher nicht aus blossem Spass nachgemalt». Später habe die Kundin den Schriftzug «doch etwas zu markant» gefunden und gefragt, ob man das nicht rückgängig machen könne. Die Frau habe sich die Anschaffung wohl zu wenig überlegt und wolle das Geld nun lieber für eine Ferienreise ausgeben. Deshalb versuche sie, den Kauf rückgängig zu machen.
Der Anwalt legt zudem ein Gutachten vor, das von einem Spezialisten für Automaten der 1930er- bis 1960er-Jahre stamme. Das Schriftstück bestätigt, dass es sich beim Cola-Automaten um ein Original handelt und der Preis gerechtfertigt war. Das äussere Erscheinungsbild sei stimmig, auf den Wert hätten «Farbnachbesserungen keinen Einfluss».
Im Kaufvertrag ist festgehalten, dass das Gerät unrestauriert ist
Der Richter will von der Klägerin wissen, weshalb im Kaufvertrag «orig./unrest.» stehe. Die 23-Jährige sagt, das habe der Verkäufer vorgeschlagen: «Wir sind bei der Besichtigung übereingekommen, dass der Cola-Automat unrestauriert und in originalem Zustand geliefert wird.» So habe er am meisten Wert. Ihre Eltern und ihr Bruder könnten das bezeugen, sie seien dabei gewesen. Der Richter fragt, warum sie den Automaten nicht mehr wolle. «Weil er nicht mehr unrestauriert und im Originalzustand ist, so wie wir ihn sahen, als wir den Vertrag unterschrieben», entgegnet die Klägerin. Die Farbe sei nicht auf ihre Initiative hin entfernt worden.
Der Verkäufer ist fassungslos: «Es ist haarsträubend zu sagen, wegen der Farbe sei das Gerät nicht mehr in originalem Zustand.» Eine dermassen unsinnige Auslegung des Begriffs «original» habe er in 40 Jahren in der Branche noch nie gehört. Das Gerät sei kurz zuvor aus den USA eingetroffen. Man habe es geputzt, den Schriftzug nachgemalt und von 110 auf die hiesigen 230 Volt umgerüstet.
Handelt es sich beim Automaten eher um einen Gebrauchsgegenstand, den man getrost etwas auffrischen kann? Oder ist das Vintage-Modell eher ein Kunstwerk, bei dem keinerlei Veränderung zulässig ist? Dem Richter bleiben diese Fragen erspart. Es gelingt ihm in mehreren Gesprächsrunden, die beiden Parteien zu einem Kompromiss zu bewegen. Der Beklagte erhält bis ins nächste Jahr Zeit, den Cola-Automaten anderweitig zu verkaufen. Dann zahlt er der 23-Jährigen den Kaufpreis zurück. Zudem übernimmt er die Gerichtskosten und vergütet der Frau 2000 Franken für ihre Anwaltskosten.
In diesem Fall kann man einen Kaufvertrag rückgängig machen
Verkäufer haften für die vertraglich zugesicherten Eigenschaften des Kaufgegenstands. Käufer sind verpflichtet, die Ware sofort nach Empfang zu prüfen und allfällige Mängel zu melden. Laut Gesetz haben sie dann verschiedene Möglichkeiten: Sie können eine Preisreduktion fordern, einen Ersatz durch mängelfreie Ware verlangen oder auf der Rückabwicklung des Kaufs bestehen. Letzteres bedeutet: Ware zurück gegen Geld zurück.
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