Die Klägerin, eine elegant gekleidete 50-jährige Frau, diskutiert im Verhandlungssaal des Bezirksgerichts Dielsdorf ZH angeregt mit ihrem Anwalt. Der 40-jährige Beklagte trägt einen Handwerker-Overall. Er ist mit einem Bekannten zum Gerichtstermin erschienen.
Zu Beginn der Verhandlung schildert der Anwalt der Klägerin dem Einzelrichter seine Sicht der Dinge: Seine Mandantin habe beim Beklagten im Juli 2019 ein Occasionscabrio der Marke Mini für 10 900 Franken gekauft. «Vor dem Kauf machte sie eine kurze Probefahrt. Damals schien mit dem Auto alles in Ordnung zu sein.» Der Händler habe ihr versprochen, noch einen Service durchzuführen und den Wagen bei der Motorfahrzeugkontrolle vorzuführen. Ein paar Tage später habe seine Klientin das Auto abgeholt und es in den folgenden drei Wochen für die Fahrt zum Arbeitsplatz benutzt.
Dann seien die ersten Probleme aufgetaucht. «Mitte August leuchtete die Öllampe auf und einen Tag später die Kontrolllampe des Motors.» Sofort habe seine Mandantin die Garage telefonisch und per E-Mail über die Vorfälle informiert. «Ein Mitarbeiter holte das Auto ab. Kurz darauf teilte die Garage meiner Mandantin mit, dass das Auto wieder funktioniere.» Das sei nicht der Fall gewesen: Bereits auf dem Heimweg habe es wieder Probleme gegeben. «Der Wagen stockte beim Fahren und schwarzer Rauch kam aus dem Auspuff.»
Experte schätzte Kosten einer Reparatur auf 14 900 Franken
Daraufhin gab die Frau bei einem Sachverständigen ein Gutachten in Auftrag. Es stellte laut ihrem Anwalt folgende Mängel fest: Ölmangel, qualitativ ungenügendes Schmiermittel, eine abgenutzte Zündkerze, ein undichtes Getriebe sowie einen defekten Turbolader. «Der Experte schätzte die Kosten für eine allfällige Reparatur auf 14 900 Franken», fasst der Anwalt zusammen. «Streng genommen handelt es sich um einen Totalschaden.»
Seine Klientin habe deshalb wiederholt verlangt, dass der Autohändler das Cabriolet zurücknehme und ihr den Kaufpreis zurückerstatte. «Leider liess dieser nicht mit sich reden.» Deshalb klagt die Frau nun auf total 17 347 Franken: für den Kaufpreis des Mini, die Kosten des Gutachtens sowie aufgelaufene Parkkosten für 12 Monate.
Bei der Motorfahrzeugkontrolle war nur eine Birne defekt
Der Autohändler weist die Forderung zurück: «Wäre das Auto mangelhaft gewesen, wäre es bei der Motorfahrzeugkontrolle wohl nicht durchgekommen», sagt er. Im Prüfungsbericht des Strassenverkehrsamts sei lediglich von einer defekten Beleuchtung die Rede gewesen. «Die Lampe wurde repariert.» Folglich habe er der Klägerin ein Auto ohne Mängel übergeben. Ausserdem sei die Reklamation der Klägerin zu spät erfolgt. Die Käuferin hätte die Mängelrüge innerhalb von fünf Werktagen nach Auslieferung des Fahrzeugs anbringen müssen.
Nach viereinhalb Monaten finden die Parteien eine Lösung
Nach einer kurzen Pause führt der Richter mit den Parteien Vergleichsgespräche. Ohne Erfolg. Aus Angst vor hohen Kosten beantragen die beiden Parteien beim Gericht, das Verfahren auszusetzen. Sie wollen versuchen, eine aussergerichtliche Einigung zu erzielen.
Nach viereinhalb Monaten und vielen Telefonaten schliessen sie eine Vereinbarung. Diese bezieht auch den Vorbesitzer des Autos mit ein. Dieser zahlt der Klägerin 1000 Franken, der Verkäufer 5000 Franken und die Rechtsschutzversicherung der Klägerin 2500 Franken. Die Verfahrenskosten von insgesamt 3500 Franken sowie die Anwaltskosten der Klägerin übernimmt ebenfalls deren Rechtsschutzversicherung.
Eine Mängelrüge muss sofort erfolgen
Wer ein Occasionsauto kauft, sollte es sofort überprüfen. Allfällige Mängel müssen unmittelbar nach Kenntnis schriftlich gerügt werden – gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts innerhalb von wenigen Tagen. Bei schweren Mängeln kann der Käufer den Vertrag rückgängig machen, das Auto zurückgeben und den bezahlten Preis zurückfordern. Ausserdem kann er seinen Aufwand in Rechnung stellen. Aus Beweisgründen sollte die Mängelrüge mit eingeschriebenem Brief verschickt werden. Für eine Klage vor Gericht hat man ab Kaufdatum zwei Jahre Zeit.