Strassenlampen verschleudern Strom
Würde die ganze Schweiz bei der Strassenbeleuchtung auf die sparsamen LED-Lampen setzen und sie nur bei Bedarf einschalten, liessen sich jährlich 100 Millionen Franken einsparen.
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saldo 07/2012
07.04.2012
Letzte Aktualisierung:
10.04.2012
Thomas Lattmann
Seit letztem Herbst brennen in Landquart GR keine stromfressenden Quecksilberdampflampen mehr. Sie sind ersetzt worden durch 680 moderne Strassenlampen mit vielen kleinen Leuchtdioden, sogenannten LEDs (siehe Kasten). Landquart ist die erste Gemeinde der Schweiz, die flächendeckend auf die neue Technik setzt. Bundesrätin Doris Leuthard lobte Landquart als «Leuchtturm» für andere Gemeinden. 60 Prozent betrage die Stromersparnis, hiess es.
Diese Sch&au...
Seit letztem Herbst brennen in Landquart GR keine stromfressenden Quecksilberdampflampen mehr. Sie sind ersetzt worden durch 680 moderne Strassenlampen mit vielen kleinen Leuchtdioden, sogenannten LEDs (siehe Kasten). Landquart ist die erste Gemeinde der Schweiz, die flächendeckend auf die neue Technik setzt. Bundesrätin Doris Leuthard lobte Landquart als «Leuchtturm» für andere Gemeinden. 60 Prozent betrage die Stromersparnis, hiess es.
Diese Schätzung war realistisch, wie die ersten Erfahrungen zeigen: Der Bündner Stromlieferant Repower hat für saldo den Verbrauch der Landquarter Strassenbeleuchtung vor und nach Einführung der LED-Leuchten verglichen. Ergebnis: In den Jahren 2009 und 2010 benötigte die Gemeinde im Durchschnitt 357 166 Kilowattstunden pro Jahr. In den vergangenen zwölf Monaten (April 2011 bis März 2012) sank der Verbrauch auf 236 024 Kilowattstunden. Das entspricht einer Einsparung von 34 Prozent.
Bewegungssensoren reduzieren den Verbrauch zusätzlich
Der zuständige Gemeinderat Andreas Thöny ist damit zufrieden. Da der Ersatz der alten Quecksilberdampflampen ab März erfolgte und erst Ende November abgeschlossen war, rechnet er weiterhin damit, dass sich die Energiemenge um insgesamt 60 Prozent reduzieren lässt. Das lohnt sich auch finanziell: Die Investitionen für die neuen Lampen beliefen sich zwar auf 610 000 Franken. Dank der Einsparungen bei Unterhalt und Stromverbrauch sollten die Investitionen aber innert acht Jahren amortisiert sein.
Landquart könnte die Energiemenge für die Strassenbeleuchtung nochmals um die Hälfte verringern, wenn die Lampen nur bei Bedarf leuchten würden. Eine solche «intelligente» Strassenbeleuchtung erprobt Baar ZG seit Februar. Auf einem rund 600 Meter langen Fuss- und Radweg hat die Gemeinde 20 LED-Leuchten mit einer Leistung von je 29 Watt installiert.
Im Normalzustand sind die Lampen auf 10 Prozent der Leistung gedimmt. Ihre volle Leuchtkraft entfalten sie erst, wenn sich ein Velofahrer oder Fussgänger nähert. Bewegungssensoren registrieren den Verkehrsteilnehmer und geben das Signal per Funkverbindung an die nächste Leuchte weiter. So bewegt sich der Verkehrsteilnehmer auf einem vorauseilenden Lichtteppich. Stellen die Sensoren keine Bewegung mehr fest, fahren die Leuchten ihre Leistung zurück.
Die sensorgesteuerte Lösung in Baar ist teuer, wie Bauvorsteher Paul Langenegger zugibt, zumal darin noch Entwicklungskosten stecken. Aber auch ohne kostspielige Steuerung lässt sich mit einem gezielten Einsatz von LED-Lampen Strom sparen: Mitten in der Nacht, wenn kaum jemand auf den Strassen unterwegs ist, können LED-Leuchten generell auf 20 oder 30 Prozent der Leistung gedimmt werden. Laut Giuse Togni, Präsidentin der Schweizerischen Agentur für Energieeffizienz (Safe), passt sich das Auge an die schwächere Beleuchtung an.
Einen Fünftel der Produktion des AKW Mühleberg einsparen
Die Schweiz verbraucht pro Jahr rund 900 Gigawattstunden Strom für die Strassenbeleuchtung. Das sind 1,5 Prozent des Gesamtstromverbrauchs. Gemäss Togni könnten die Gemeinden etwa 400 Gigawattstunden Strom durch den Austausch älterer Leuchten durch effizientere Modelle einsparen. Weitere 200 Gigawattstunden beträgt das Sparpotenzial durch den Einsatz bedarfsgeregelter Steuerungen.
Insgesamt könnten die Gemeinden den Stromverbrauch für die Strassenbeleuchtung also um 600 Gigawattstunden pro Jahr oder zwei Drittel senken – ohne Einbussen bei Komfort und Sicherheit. Das entspricht einem Fünftel der Jahresproduktion des Atomkraftwerks Mühleberg und senkt die Stromkosten um jährlich 100 Millionen Franken.
Manche Gemeinden haben schon eine effiziente Strassenbeleuchtung, andere verbrauchen aber noch unnötig grosse Mengen an Strom. Das zeigt die Datenbank Topstreetlight.ch, wo über 300 Gemeinden den Stromverbrauch für ihre Strassenbeleuchtung eingetragen haben. St. Gallen verbraucht gemäss Selbstdeklaration nur 7,8 Megawattstunden Strom pro beleuchtetem Strassenkilometer und Jahr, Freiburg 40 Megawattstunden – rund fünf Mal mehr (siehe Tabelle).
2015 werden die alten, stromfressenden Lampen verboten
Die grossen Unterschiede rühren vor allem daher, dass viele Gemeinden immer noch auf wenig energieeffiziente Quecksilberdampflampen setzen. In der Westschweiz sowie in den Kantonen Bern, Graubünden, Tessin und Thurgau sind sie noch weit verbreitet, so Expertin Togni. Auch die Grösse der Gemeinde ist ein Faktor. Dass Winterthur pro Strassenkilometer nicht mal halb so viel Strom verbraucht wie Zürich, hat noch einen anderen Grund: Die Eulachstadt beleuchtet nach Bedarf. Spätnachts wird die Strassenbeleuchtung teilweise ausgeschaltet oder gedimmt.
Gemeinden, die noch immer Quecksilberdampflampen und Natriumdampflampen Plug-In verwenden, kommen in Zugzwang: Ab 2015 sind diese Stromfresser verboten. Die Schweiz übernimmt die entsprechende EU-Verordnung, Gemeinden müssen auf Natriumhochdrucklampen oder – noch besser – auf die zukunftsträchtigen LED-Lampen umrüsten. Das verursacht zwar beträchtliche Investitionen, dafür sinken die Stromkosten massiv.
LED: Leuchtmittel der Zukunft
Natriumhochdrucklampen mit ihrem gelborangen Licht sind zurzeit noch der bevorzugte Standard in der Strassenbeleuchtung. Die LED-Strassenlampen sind mit Stückkosten von rund 1000 Franken etwa doppelt so teuer wie Natriumhochdrucklampen und punkto Stromeffizienz etwa gleichauf. Die Entwicklung von LEDs geht aber sehr rasch voran und die Preise sinken.
LED-Lampen haben gegenüber anderen Strassenlampen klare Vorteile:
- Sie sind stufenlos und schnell dimmbar.
- Die Lichtverschmutzung nimmt ab. LED-Lampen strahlen nämlich gerichtet, wodurch kaum Streulicht entsteht.
- Das Licht von LED-Lampen wird von den Verkehrsteilnehmern subjektiv als heller wahrgenommen.
- Die Lebensdauer ist mit zirka 600 000 Betriebsstunden sehr hoch.
- LED-Lampen eignen sich für häufiges Ein- und Ausschalten.
- Die Auswahl an unterschiedlichen Lichtstärken ist bei den LEDs gross. Dadurch kann eine Überdimensionierung der Strassenbeleuchtung vermieden werden.