S tromsparen ist eine gute Sache. Diese Botschaft verbreiten Kampagnen mit Unterstützung der Bundesverwaltung immer wieder aufs Neue. So auch die «Schweizer Stromspar-Challenge», die zurzeit landesweit läuft. Sie will Haushalte mit einer kostenlosen Analyse ihres Verbrauchs, Quizfragen und der Aussicht auf ein Jahr Gratisstrom zu einem «bewussteren Umgang» mit Elektrizität anspornen. Anmelden kann man sich im Internet auf Perlas.ch. Unterstützt wird die Kampagne vom Bundesamt für Energie, der Umweltschutzorganisation WWF und dem Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen.
Stromsparer werden von Energieunternehmen bestraft
Dazu passt schlecht: Viele Stromversorger wenden Tarife an, die nicht zum Sparen animieren. Denn sie stellen ihren Kunden nicht nur die Kosten der verbrauchten Kilowattstunden (kWh) in Rechnung, sondern zusätzlich einen Fixbetrag. Wer Strom spart, wird so bestraft. Das merkte auch saldo-Leser Dominik Keller aus Basel. Er verbraucht in seiner Zwei-Zimmer-Altbauwohnung sehr wenig Strom. Von Anfang Juni 2023 bis Ende Mai 2024 waren es nur gerade 250 kWh. Denn Heizung, Warmwasser und Herd laufen mit Holz oder Gas.
Was Keller ärgert: Die Industriellen Werke Basel (IWB) verlangen von Kunden mit sehr geringem Konsum für die Netznutzung ein pauschales «Minimalentgelt» von 120 Franken pro Jahr statt des Normaltarifs von knapp 14 Rappen pro kWh (2024). Kellers gesamte Stromrechnung für Energie, Netznutzung und Abgaben betrug aus diesem Grund rund 180 statt nur 90 Franken. Das Minimalentgelt der IWB sei eine «Strafpauschale für Wenigbezüger, welche die Idee des sparsamen Stromverbrauchs unterläuft», kritisiert Keller.
Die IWB dagegen sprechen von einem «fairen Beitrag an die Nutzung des Stromnetzes und der Infrastruktur». Auch bei geringem Verbrauch würden für jeden bestehenden Anschluss Kosten anfallen: für den Bau, Betrieb und Unterhalt der Stromnetze – «und vor allem für die Gewissheit, jederzeit Strom beziehen zu können, wenn man ihn braucht». Zudem gebe es in Basel eine Lenkungsabgabe auf den Stromverbrauch. Die Einnahmen daraus schütte der Kanton pro Kopf wieder aus.
«Wer wenig Strom verbraucht, bekommt so viel mehr zurückerstattet, als er oder sie für die Lenkungsabgabe zahlt», schreiben die IWB. Das Basler Minimalentgelt ist nichts anderes als eine Spezialvariante des fixen Grundpreises, den viele Stromlieferanten ihren Kunden meist bei der Netznutzung aufbürden – auch unter Bezeichnungen wie «Grundgebühr», «Grundtarif» oder «Systempreis». Wie der Grundpreis die Verbraucher bestraft, zeigt folgendes Beispiel: Ein Haushalt verbraucht 2500 kWh Strom pro Jahr.
Der Lieferant verlangt einen Grundpreis von 120 Franken pro Jahr und einen Verbrauchspeis von 30 Rappen pro kWh. Das ergibt Jahreskosten von total 870 Franken. Inklusive Grundpreis beträgt der kWhPreis also 34,8 Rappen. Verbraucht der Haushalt nur 2000 kWh, steigt der kWh-Preis auf 36 Rappen. Es gilt somit: Je tiefer der Stromverbrauch, desto höher der Preis pro kWh – und umgekehrt.
Viele Elektrizitätsfirmen halten trotz Kritik an Grundpreisen fest
Hilfreich ist dieser Mechanismus nicht, wenn man die Leute zum Stromsparen motivieren will. Doch eine Umfrage von saldo bei 15 Elektrizitätsfirmen ergab: Alle wollen am Grundpreis festhalten. Der Fixbetrag decke die vom Verbrauch unabhängigen Kosten, zum Beispiel für die Stromzähler, deren Ablesung, die Aufarbeitung der Daten und die Rechnungsstellung. «Diese Kosten fallen immer in gleicher Höhe an – egal, ob jemand 1000 oder 10'000 kWh Strom pro Jahr verbraucht», heisst es etwa beim Elektrizitätswerk des Kantons Schaffhausen.
Andere Lieferanten wie EWZ (Stadt Zürich), EWB (Bern) und EWL (Luzern) hinderte das jedoch nicht daran, den Grundpreis abzuschaffen. Man wolle «Anreize für ein energieeffizientes Verhalten» schaffen, begründete EWL diesen Schritt vor sechs Jahren.
Exakt aus diesem Grund fordert der unabhängige Aargauer Energiefachmann Heini Glauser von den Elektrizitätswerken schon seit Jahren, die fixen Grundgebühren zu streichen: «Andere Firmen können zur Deckung ihrer Fixkosten in der Regel ja auch nicht einfach einen ‹Eintrittspreis› verlangen. Oder haben Sie beim Betreten eines Lebensmittelgeschäfts schon einmal eine Grundgebühr zahlen müssen?»