Reformen in der Altersvorsorge und bei den Unternehmenssteuern seien «dringend notwendig». Das schreibt der Bundesrat im Abstimmungsbüchlein zum «Bundesgesetz über die AHV und die Steuerreform». Mit der Verknüpfung der verschiedenen Materien will der Bundesrat die Chancen für ein Ja zu beiden Vorlagen erhöhen.
Der frühere Rechtsprofessor und Basler FDP-Ständerat René Rhinow sieht dadurch die unverfälschte Stimmabgabe gefährdet. Die AHV und die Besteuerung von Unternehmen hätten nichts miteinander zu tun. «Es wurden zwei absolut unterschiedliche Themen gesetzgeberisch miteinander verknüpft», kritisiert Rhinow in der jüngsten Ausgabe des Juristenmagazins «Plädoyer».
Das hat laut Rhinow fatale Folgen. Der Stimmbürger komme so in die Zwangslage, einem Inhalt zustimmen zu müssen, den er gar nicht will. Im Fall des AHV-Steuer-Deals heisst das: Wer die Aufhebung von Steuerprivilegien für international tätige Unternehmen befürwortet, kann gegen höhere AHV-Beiträge sein – oder umgekehrt. Die beiden unterschiedlichen Positionen kann er aber auf dem Stimmzettel nicht zum Ausdruck bringen. Er darf nur einmal Ja oder Nein sagen.
Um zu garantieren, dass der Stimmbürger seinen politischen Willen unverfälscht ausdrücken kann, verlangt die Bundesverfassung die Einhaltung des Grundsatzes der Einheit der Materie. Er gilt für Volksinitiativen, für kantonale Gesetze und laut Bundesgericht und fast allen Staatsrechtsprofessoren auch für Bundesgesetze.
Das Bundesamt für Justiz hingegen erachtet die Verknüpfung von zwei grundverschiedenen Materien beim Steuer-AHV-Deal als «Grenzfall», der aber «vertretbar» sei. Auch der Zürcher Professor Andreas Kley meint: «Das Parlament hat das Recht, eine Vorlage zu spalten – oder zusammenzufügen.» Beim AHV-Steuer-Deal handle es sich um einen «Kompromiss». Der sei «politischer Natur und kein rechtliches Phänomen».
Für Staatsrechtler Rhinow mit zwölf Jahren Politikerfahrung als Ständerat hingegen ist klar: «Es soll klar sein, was das Volk mit einem Ja oder Nein meint. Aber das Ja oder Nein zu einer Kombination von verschiedenen Materien ist völlig unklar.»
Darum geht es bei der Abstimmung vom 19. Mai
Das Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung ist eine Neuauflage der gescheiterten Unternehmenssteuerreform III. Bei einem Ja am 19. Mai werden die Unternehmen zwei Milliarden Franken weniger Steuern zahlen müssen. Andererseits steigen die AHV-Prämien von Arbeitgebern, Angestellten, Selbständigen und Nichterwerbstätigen.