Steuerzahler subventionieren die Airlines
Flugtickets sind zum Teil sehr günstig – trotzdem schreiben viele Fluggesellschaften stattliche Gewinne. Grund: Die Flugindustrie profitiert von massiver Unterstützung der Steuerzahler.
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saldo 05/2013
20.03.2013
Thomas Lattmann
Das Gedränge am Himmel wird immer grösser, und die Airlines wollen die immer grösseren Maschinen immer besser auslasten. Kein Wunder, wird ein Teil der Tickets zu Spottpreisen verkauft: Von Zürich aus für 188 Franken nach Istanbul retour oder für 656 Franken nach New York und zurück.
Doch auch mit solchen Tiefpreisen erwirtschaften die Airlines stolze Betriebsgewinne: Bei der Swiss etwa waren es in den letzten fünf Jahren nicht weniger als i...
Das Gedränge am Himmel wird immer grösser, und die Airlines wollen die immer grösseren Maschinen immer besser auslasten. Kein Wunder, wird ein Teil der Tickets zu Spottpreisen verkauft: Von Zürich aus für 188 Franken nach Istanbul retour oder für 656 Franken nach New York und zurück.
Doch auch mit solchen Tiefpreisen erwirtschaften die Airlines stolze Betriebsgewinne: Bei der Swiss etwa waren es in den letzten fünf Jahren nicht weniger als insgesamt 1539 Millionen Franken. Das ist möglich, weil die Flugindustrie wie kaum eine andere Branche vom Staat bevorzugt wird. Das heisst, die Steuerzahler finanzieren die Fliegerei mit:
- Flughäfen: Sie wurden zum Teil mit öffentlichen Geldern finanziert. Für den Flughafen Zürich-Kloten beispielsweise haben Bund, Kanton Zürich sowie die Städte Zürich und Winterthur bis zur Privatisierung im Jahr 2000 Gelder in der Höhe von über 2 Milliarden Franken bewilligt. Auch das Land hat die Flughafenbetreiberin sehr günstig erhalten: Der Kanton Zürich kaufte es im Jahr 1945 für lediglich 10 Millionen Franken. Heute ist der Flughafen Zürich eine private, börsenkotierte Aktiengesellschaft. Die Kantonsregierung bezifferte den Gesamtwert des Flughafens im Jahr 2000 mit tiefen 1650 Millionen Franken. Wie dieser Wert zustande kam, ist nicht klar: Einsicht in die Bewertungsgrundlagen gab es nicht. Der Kanton Zürich ist an der Flughafen-AG noch zu einem Drittel beteiligt.
Der Flughafen Genf ist noch vollständig im Besitz des Kantons, die Schweiz und Frankreich sind Eigentümer von Basel-Mulhouse.
Die Regionalflughäfen Bern-Belp und St. Gallen-Altenrhein werden von privaten Gesellschaften betrieben. Ende 2006 bewilligten die Stimmbürger dem Flughafen Belp aus der Kantonskasse 3 Millionen Franken an die Pistenverlängerung. Der Flughafen Altenrhein erhielt in den vergangenen Jahren keine direkten Subventionen oder Darlehen der öffentlichen Hand, sagt Armin Unternährer vom St. Galler Regionalflughafen.
Anders die Situation in Lugano-Agno: Der Flughafen ist im Besitz der Stadt Lugano und des Kantons Tessin. Zwischen 2005 und 2011 erwirtschaftete der Betrieb ein Defizit von insgesamt über 4,2 Millionen Franken. Immer wieder müssen Stadt und Kanton zur Rettung des Flughafens Geld einschiessen. Ein Ende ist nicht absehbar.
Ebenfalls nicht rentabel ist der Flughafen Sion. 2012 betrug das Defizit 1,37 Millionen Franken, im Vorjahr 1,07 Millionen Franken. Der Flughafen gehört der Stadt Sion. Die Verluste werden je hälftig von der Stadt und dem Kanton Wallis getragen.
- Luftüberwachung: Die Flugsicherungsgesellschaft Skyguide ist für die Sicherheit des gesamten Schweizer Luftraums sowie angrenzender Gebiete in Deutschland, Österreich, Frankreich und Italien verantwortlich. Die Aktiengesellschaft ist praktisch zu 100 Prozent in Bundesbesitz. Die Einnahmen stammen grösstenteils aus Gebühren für Überflüge sowie Starts und Landungen. Die Erträge sind aber nicht kostendeckend. Ende 2010 betrug das kumulierte Defizit 99 Millionen Franken. Deshalb erhält Skyguide Zuschüsse aus der Bundeskasse. 2011 überwies der Bund Skyguide gut 50 Millionen Franken.
- Swiss: Nach dem Zusammenbruch der Swissair Anfang Oktober 2001 finanzierten die Steuerzahler den Weiterbetrieb der Airline sowie den Aufbau der neuen Fluggesellschaft Swiss. Für den Übergangsbetrieb der Swissair zahlte die Bundeskasse 1169 Millionen Franken. Als Starthilfe erhielt die Swiss ferner 600 Millionen Franken, der Kanton Zürich zahlte weitere 300 Millionen. 2005 erwarb Lufthansa die ins Trudeln geratene Swiss zum Schnäppchenpreis von 339 Millionen Franken. Für ihre Investitionen von total 1769 Millionen Franken erhielt die Bundeskasse lediglich 64 Millionen – ein Verlust von 1705 Millionen Franken. Der Kanton Zürich musste sich 268 Millionen Franken ans Bein streichen. Sein Erlös beim Swiss-Verkauf betrug 32 Millionen Franken.
- Umweltkosten: Die Fliegerei ist einer der grössten Luftverschmutzer und trägt zum Klimawandel bei (siehe Beitrag rechts). Der Lärm rund um die Flughäfen erhöht die Gesundheitskosten und führt zu Wertverlusten der Liegenschaften. Für diese externen Kosten kommt die Zivilluftfahrt nur zu einem geringen Teil auf.
Für Starts und Landungen müssen Airlines eine Schadstoffgebühr entrichten. Diese beträgt pro Flugbewegung im Durchschnitt nur gerade Fr. 11.30. Zürich finanziert mit dem Geld für die Schadstoffemissionen Projekte wie eine umweltfreundlichere Flugzeugenergieversorgungsanlage oder Gas- und Elektrofahrzeuge fürs Vorfeld. Die zusätzlichen Lärmgebühren sind dazu bestimmt, fluglärmabhängige Kosten zu begleichen. Dazu gehören vor allem Schallschutzmassnahmen in Häusern, Lärmentschädigungen für Liegenschaftsbesitzer. Kein Geld gibt es für jenen Teil der Bevölkerung, der ebenfalls unter dem Fluglärm leidet, aber nicht in unmittelbarer Nähe der An- und Abflugschneisen wohnt.
Flugverkehr gegenüber der Bahn bevorteilt
Die Auflistung zeigt: Die Zivilluftfahrt kostet viel Geld und deckt ihre Kosten nicht. Die Steuerzahler kommen für den Rest auf. Dies widerspricht dem Verursacherprinzip, denn längst nicht alle Steuerzahler benutzen das Flugzeug. Zudem führt die Privilegierung der Flugindustrie dazu, dass der Wettbewerb gegenüber der Bahn verzerrt wird. Auf Strecken innerhalb Mitteleuropas ist die Bahn oft teurer als das Flugzeug.
Urs Holderegger, Sprecher des Bundesamtes für Zivilluftfahrt (Bazl), begründet die Begünstigungen des Luftverkehrs mit internationalen Abkommen. Deshalb sei der Handlungsspielraum der Schweiz für Änderungen sehr beschränkt. Zudem würden die Airlines aus dem Nahen Osten «von ungleich besseren Bedingungen» profitieren als die europäischen Fluggesellschaften. Holderegger fügt an: «Luftverkehr ist auch öffentlicher Verkehr.» Sprich: Das rechtfertigt Subventionen.
Steuern: Diverse Privilegien für den Flugbetrieb
Die Luftfahrt profitiert von Subventionen, sie trägt aber selbst wenig zu den Steuererträgen bei.
- Flugtreibstoffe: Pro Liter Bleifreibenzin zahlen Autofahrer 73,12 Rappen Mineralölsteuer. Airlines hingegen, die in der Schweiz Kerosin tanken und ins Ausland fliegen, sind von der Mineralölsteuer befreit. Laut Oberzolldirektion entgingen dem Bund so letztes Jahr 1,4 Milliarden Franken an Mineralölsteuern.
- Mehrwertsteuer: In- und ausländische Airlines, die vorwiegend Auslanddestinationen anfliegen, müssen für Lieferungen und Dienstleistungen meist keine Mehrwertsteuer bezahlen. Befreit sind Treibstoffe, Bordverpflegung, Reinigung der Flugzeuge und Leistungen im Bereich der Flugsicherung. Auch keine Mehrwertsteuer leisten müssen die Airlines auf Flughafenentgelte wie Start- und Landegebühren sowie Passagier-, Fracht- und Abfertigungstaxen. Für Flugtickets zahlen die Passagiere keine Mehrwertsteuer.
- Duty-free: In Flughäfen und Flugzeugen dürfen Waren zoll- und mehrwertsteuerfrei verkauft werden. Seit Juni 2011 können Passagiere auch bei der Einreise abgabefrei einkaufen. Wie viel Geld der öffentlichen Hand entgeht, können weder Oberzolldirektion noch Eidgenössische Steuerverwaltung beziffern.