Die Betreibungsämter in der Schweiz verschickten im vergangenen Jahr 2,8 Millionen Zahlungsbefehle. Fast jeder dritte stammte von einer Krankenkasse. Das geht aus einem Bericht von Sozialbehörden aus der Westschweiz und dem Kanton Tessin hervor.
Einige Kassen betreiben säumige Prämienzahler schon, wenn diese erst eine, zwei oder drei Monatsprämien schuldig sind. Dazu gehören etwa Arcosana, Assura, Atupri, Concordia, CSS, Mutuel, Sanitas, Swica, Sympany und Visana, wie eine saldo-Auswertung von kantonalen Amtsblättern ergab. Betrieben werden pro Jahr insgesamt rund 400 000 Prämienzahler, die durchschnittliche Höhe der offenen Forderung lag in den letzten zehn Jahren bei 2048 Franken.
Unsinnige Serienbetreibungen alle paar Monate
Eine Betreibung kostet die Krankenkassen je nach Höhe der Schuld zwischen 150 und 300 Franken Gebühren. Die Schuldner werden oft mehrmals pro Jahr betrieben – was die Kosten in die Höhe treibt. Beispiele: Die Arcosana betrieb Vania Bucher (Namen der Versicherten geändert) für neun unbezahlte Monatsprämien im Umfang von Fr. 5496.75 insgesamt dreimal. Sie musste Betreibungsgebühren von total Fr. 442.60 bezahlen. Die Helsana betrieb Otto Zurbinden für elf unbezahlte Monatsprämien von total Fr. 5904.65 nur einmal. Ihm stellte die Helsana Betreibungsgebühren von nur Fr. 142.30 in Rechnung. Fazit: Die dreimal betriebene Vania Bucher muss mehr Gebühren zahlen, obwohl sie ihrer Krankenkasse weniger Geld für Prämien schuldet als der einmal betriebene Otto Zurbinden.
Längst nicht alle Betriebenen sind zahlungsfähig: Rund ein Drittel der offenen Forderungen sind nach zwei Jahren noch ausstehend. Im Jahr 2020 waren das 418,8 Millionen Franken. Diese Ausfälle tragen vor allem die Kantone. Seit 2012 müssen sie den Krankenkassen 85 Prozent der unbezahlten Prämien und der Betreibungskosten zahlen. Von 2012 bis 2020 überwiesen die Kantone den Krankenkassen rund 2,7 Milliarden Franken. Dafür mussten die Steuerzahler aufkommen. Hochrechnungen auf der Basis von Zahlen des Kantons Zürich zeigen: Von den 2,7 Milliarden Franken entfielen rund 328 Millionen Franken auf die Betreibungskosten.
Helsana macht vor, wie sich die Kosten halbieren lassen
Bei den Betreibungen gäbe es grosses Sparpotenzial, wie das Beispiel der Helsana zeigt: Seit 2017 leitet sie nur noch zweimal pro Jahr Betreibungen gegen säumige Prämienschuldner ein. Die Zahl der Verfahren sank von 130 000 im Jahr 2013 auf 60 000 im Jahr 2021 – also um mehr als die Hälfte. Bei 100 000 Verfahren weniger pro Jahr liessen sich jährlich zwischen 20 und 30 Millionen Franken Betreibungsgebühren sparen. Das berechnete Yves de Mestral, Leiter des Betreibungsamts Zürich 3.
Die Zahlen der Helsana legen nahe, dass alle Krankenkassen zusammen pro Jahr auf rund 400 000 Betreibungen verzichten und so 80 bis 120 Millionen Franken Betreibungsgebühren sparen könnten. Da etwa ein Drittel aller Zahlungsbefehle unbezahlt bleibt, müssten die Krankenkassen und Steuerzahler pro Jahr für rund 35 Millionen Franken weniger Betreibungsgebühren aufkommen.
Die Stadtzürcher Betreibungsämter forderten deshalb vor drei Jahren, dass die Krankenkassen pro säumigem Zahler nur noch ein- bis zweimal pro Jahr Betreibungen einleiten dürfen. Der Bundesrat nahm das Anliegen auf. Im März änderten National- und Ständerat das Krankenversicherungsgesetz entsprechend.
Wann die neue Regelung in Kraft tritt, hat der Bundesrat noch nicht entschieden. Die Krankenkasse CSS rechnet damit, dass die neue Regel erst Anfang 2024 umgesetzt wird.