Anfang Mai schlug der Schweizer Städteverband Alarm. Der Titel der Medienmitteilung: «Sinkende Einnahmen, steigende Schulden, drohende Steuererhöhungen: Diese Konsequenzen hat die Pandemie für die Stadtfinanzen». In 40 Prozent der Schweizer Städte seien Steuererhöhungen «nicht mehr tabu». Konkret sind sie zurzeit in Köniz BE und Kriens LU ein Thema. Winterthur ZH erhöhte die Steuern bereits Anfang 2021.
In den meisten Gemeinden besteht aber kein Grund für Steuererhöhungen. Mathias Binswanger, Professor für Volkswirtschaft an der Fachhochschule Nordwestschweiz, kommentiert die Mitteilung des Städteverbands mit den Worten: «Hier wird der Teufel an die Wand gemalt.» Reto Wyss, Zentralsekretär des Schweizer Gewerkschaftsbunds, doppelt nach: «Der Städteverband betreibt unnötigen Alarmismus.»
Trotz Pandemie sind Überschüsse die Regel
Das bestätigen die aktuellsten Zahlen: Laut der eidgenössischen Finanzverwaltung hatten alle 2212 Gemeinden der Schweiz Ende 2018 zusammen 48 Milliarden Franken an Eigenkapital geäufnet. Zuletzt erzielten diverse Städte trotz Pandemie Überschüsse. Mehr eingenommen als ausgegeben haben im Jahr 2020 beispielsweise die Städte Zürich (plus 55 Millionen Franken), Schaffhausen (plus 25 Millionen), Luzern (plus 10 Millionen) und St. Gallen (plus 6 Millionen).
Die Kosten der Coronapandemie machten vielerorts nur einen kleinen Teil der gesamten Ausgaben aus. In Winterthur etwa waren es 32 Millionen Franken. Bei Gesamtausgaben von 1,7 Milliarden Franken entspricht das weniger als 2 Prozent. Ausserdem unterschätzen die meisten Städte regelmässig ihre Steuereinnahmen. Das geht aus einer Studie der Universität Lausanne hervor.
Marc Moser, Sprecher des Städteverbands, warnt trotzdem: Leute, die wegen der Pandemie ihren Job verloren haben, würden in zwei Jahren ausgesteuert. «Zudem werden die Ausfälle bei den Steuern der Unternehmen erst in den kommenden Jahren richtig ins Gewicht fallen», sagt Moser.
Volkswirtschaftsprofessor Mathias Binswanger hält die Negativszenarien des Städteverbands für übertrieben: Die Gemeinden und Städte könnten sich falls nötig zurzeit zu negativen Zinsen verschulden – und so mit ihren Schulden sogar noch eine Rendite erzielen.