Beim Ausfüllen der Steuererklärung am Computer dachte Daniel Tobler (Name geändert) aus Neftenbach ZH zuerst an einen Fehler. Das Programm reduzierte nämlich automatisch den Kinderabzug von 18 000 Franken für seine zwei Kinder auf die Hälfte.
Eine Internetrecherche ergab: Alles hat seine Richtigkeit. Der Kanton Zürich hat per Steuerperiode 2015 festgelegt, dass getrennt besteuerte Eltern, die sich die elterliche Sorge teilen, ohne dass Unterhaltsbeiträge fliessen, den Kinderabzug hälftig aufteilen müssen. Zuvor konnte der Hauptverdiener den vollen Abzug machen.
Für Toblers hat das massive Folgen. Der in einem vollen Pensum arbeitende Vater kann nur noch 9000 Franken abziehen und kommt in eine höhere Progression. Inklusive Bundessteuern bezahlt er 7144 Franken. Partnerin Anouk Abegg (Name geändert) arbeitet Teilzeit. Wegen des hälftigen Kinderabzugs kommt sie auf ein negatives steuerbares Einkommen. Sie zahlt deshalb nur die Kopfsteuer von 24 Franken. Die gesamte Steuerlast für die Familie beträgt somit 7168 Franken.
Könnte Hauptverdiener Daniel Tobler – wie bisher – den ganzen Kinderabzug vornehmen, läge der Steuerbetrag für die Familie bei 5577 Franken. Das sind 1591 Franken weniger. Noch mehr Steuern sparen würde die Familie, wenn das Paar heiraten würde: Die Steuerlast würde dann 5083 Franken betragen. Durch eine Heirat könnte die Familie also 2085 Franken pro Jahr sparen. Das Beispiel zeigt, dass ledige Paare mit Kindern durch die hälftige Teilung des Kinderabzugs steuerlich benachteiligt werden können. Es handelt sich um eine Konkubinatsstrafe. Die Bestimmung, den Kinderabzug bei getrennt besteuerten Eltern hälftig aufzuteilen, stammt vom Bund. Seit 2011 ist diese im Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer verankert.
Warnungen in den Wind geschlagen
In der Folge entschied das Zürcher Kantonsparlament, die Regelung ins kantonale Steuergesetz zu übernehmen. Bei der Debatte argumentierten die Befürworter, es sei gerechter, wenn beide Elternteile je zur Hälfte am Kinderabzug beteiligt seien.
Kantonsrat Markus Bischoff von der Alternativen Liste wehrte sich vergeblich. Er warnte davor, dass die Änderung wegen der Progression für die meisten zusammenlebenden Paare zu höheren Steuern führt. Dies sei besonders ausgeprägt, wenn die Einkommensdifferenz zwischen den Eltern gross sei. Bischoff: «Bei zusammenlebenden Paaren mit Kindern führt die Neuregelung zu einer Schmälerung des Familieneinkommens.»
Steuerämter räumen Ungerechtigkeiten ein
Nebst Zürich führten auch andere Kantone die Teilung des Kinderabzugs ein. In der Deutschschweiz sind dies gemäss einer saldo-Umfrage BE, BS, LU, OW, SH, SO, UR und VS. Einige von saldo angefragte Steuerämter räumen ein, dass es «in Einzelfällen» zu Ungerechtigkeiten kommen kann, wenn ein Elternteil nur ein geringes oder gar kein Einkommen erzielt.
In allen anderen Kantonen der Deutschschweiz gilt: Wer mehr verdient, kann den vollen Kinderabzug machen. Dieser ist je nach Kanton unterschiedlich. Der Mindestabzug für minderjährige Kinder reicht von 5000 Franken (AR) bis 12 000 Franken (ZG) pro Kind.
Unklar ist, wie viele Familien in den Kantonen, wo der hälftige Kinderabzug gilt, betroffen sind. Zahlen dazu gibt es nicht. Das Bundesamt für Statistik liefert immerhin Hinweise: Demnach waren 2014 bei 21,6 Prozent aller geborenen Kinder die Mütter ledig. Bei den meisten üben Mutter und Vater das Sorgerecht gemeinsam aus. Hochrechnungen zeigen ferner, dass 67 600 Konkubinatspaare mit mindestens einem minderjährigen Kind zusammenleben.
Eine Art «Härtefallklausel» kennt der Kanton Obwalden. In einer Dienstanleitung ist festgelegt, dass dem Hauptverdiener der ganze Kinderabzug zufällt, falls der andere Elternteil kein steuerbares Einkommen aufweist. Auch der Kanton Zürich soll laut Finanzdirektionssprecher Roger Keller in Ausnahmefällen bereit sein, einem Elternteil den vollen Kinderabzug zu gewähren. Keller empfiehlt Konkubinatspaaren, ihren Steuererklärungen eine entsprechende Bemerkung anzufügen, wenn ein Elternteil auf ein steuerbares Einkommen von null kommt. Das Einverständnis beider Elternteile vorausgesetzt, würden dann die Einschätzungsdienste einem Elternteil den vollen Kinderabzug zugestehen.
Eine faire und bequeme Lösung kennt der Kanton Appenzell Innerrhoden: Die Steuerverwaltung gewährt den Eltern jene Form des Abzugs, der für sie günstiger ist.