Solche Staumeldungen sind auf den SRF-Radiosendern fast täglich zu hören: «A2, Luzern Richtung Gotthard. Zwischen Wassen und Göschenen zwei Kilometer Stau wegen Verkehrsüberlastung. Wartezeit bis zu 20 Minuten.» Allein am 3. Oktober – dem Beginn der Herbstferien in zwölf Kantonen – hat die nationale Verkehrsinfor-mationszentrale Viasuisse 13 Meldungen zu Staus beim Gotthardtunnel verbreitet.
Auffällig ist, wie oft am Radio Staus am Gotthard gemeldet werden, obwohl sich der Verkehr am häufigsten und längsten vor dem Baregg- und Gubristtunnel sowie auf der A 1 zwischen Zürich und Winterthur staut.
Laut Bundesamt für Strassen sind letztes Jahr im Grossraum Baregg 352, beim Gubristtunnel 355 und bei der Nordumfahrung Zürich–Winterthur sogar 358 Stautage gezählt worden. Im Vergleich dazu ist die Zahl der Stautage am Gotthard bescheiden: 149 Tage am Nordportal und 179 am Südportal (siehe PDF).
Am Gotthard meistens nur Kurzstaus
Die Zahl der Stautage sagt zudem kaum etwas über die Intensität der Staus aus. Um als Stautag in die Statistik einzugehen, genügt es, wenn sich der Verkehr einmal am Tag einige Minuten einen Kilometer staut.
Letztes Jahr ging es bei knapp zwei Dritteln aller 3111 Viasuisse-Staumeldungen beim Gotthardtunnel um Kurzstaus bis drei Kilometer. Das ist nicht erstaunlich. Denn durch den Tunnel rollt verhältnismässig wenig Verkehr: letztes Jahr durchschnittlich 17 398 Fahrzeuge pro Tag. Zum Vergleich: Auf der nordwestlichen Einfallachse von Winterthur, auf der Wülflingerstrasse, sind es 23 200 Fahrzeuge pro Tag.
Andere Dimensionen als am Gotthard hat die Ver kehrsüberlastung zwischen dem Limmattaler Kreuz und Winterthur. Morgens und abends unter der Woche – und zunehmend auch an den Wochenenden – bilden sich dort lange Staus mit Tausenden von Fahrzeugen. Am Gubrist zählt das Bundesamt täglich 108 630 Fahrzeuge, beim Baregg 126 781 und auf der A1 bei Wallisellen sogar 144 134. Das heisst: Bei Wallisellen verkehren mehr als achtmal so viele Fahrzeuge wie durch den Gotthardtunnel. Dennoch erwecken die Staumeldungen am Radio den Eindruck, als liege der Stauschwerpunkt der Schweiz beim Gotthard. Das ärgert die Berner Nationalrätin und VCS-Präsidentin Evi Allemann (SP). Sie sagt: Am Gotthard gebe es viele Messmöglichkeiten für Staus. Deshalb seien Radiomeldungen viel häufiger als für andere Strecken. Selbst über Kürzeststaus am Gotthard werde am Radio informiert, was für die Hörer weitgehend nutzlos sei. Automobilisten, die sich in der Nähe solcher Staus befänden, würden kaum etwas davon wahrnehmen, weil sich Kürzeststaus oft so schnell auflösten, wie sie sich bildeten.
Zudem hat Allemann bei den Meldungen der SRF-Radiostationen festgestellt, dass die Staus an den neuralgischen Punkten in den Agglomerationen oft summarisch verlesen werden – ohne Angaben zu Ausdehnung und Zeitverlust. Sie schliesst daraus, dass der Nutzen der ewigen Wiederholung von Gotthard-Staumeldungen vor allem politischer Natur ist: «Die Stausituation soll künstlich hochgespielt werden, um so für den Bau einer zweiten Röhre Stimmung zu machen.» Der Bundesrat hat für einen zweiten Gotthard-Strassentunnel Kosten von 2,8 Milliarden Franken veranschlagt. Da gibt es für Bauunternehmen viel zu verdienen. Die Volksabstimmung darüber findet am 28. Februar statt.
Keine Meldung bei Kurzstau am Baregg
Thomas Rohrbach, Sprecher des Bundesamts für Strassen, dementiert eine Stimmungsmache. Information sei ein zentrales Element des Verkehrsmanagements. Stelle man eine Störung fest, werde sie kommuniziert. Er räumt aber ein, das Verkehrsdosiersystem am Gotthard führe zu vielen Staumeldungen.
Sobald die Wartezeit 10 Minuten beträgt, wird eine Staumeldung abgesetzt. Auch jede Veränderung löst eine Meldung aus. «Die logische Folge davon ist eine grössere Zahl an Staumeldungen», sagt Rohrbach und fügt an: «Beim Baregg und Gubrist werden Staus mit 10 Minuten Wartezeit nicht vermeldet.»
Angaben über den Zeitverlust sind ausser am Gotthard nicht verfügbar oder unpräzis. Das will das Bundesamt ändern: Seit drei Jahren läuft ein Versuch mit dem Ziel, Reisezeiten und Zeitverluste fürs ganze Nationalstrassennetz exakt zu erfassen.
Verkehrsinfos von Viasuisse
Die nationale Verkehrsinformationszentrale Viasuisse existiert seit 2001. Viasuisse hat einen Leistungsauftrag des Bundesamts für Strassen (Astra) zur Verbreitung von Verkehrsinformationen. Die Infos bezieht Viasuisse von Verkehrskameras und -zählern sowie aus Meldungen von Astra, Polizei und Automobilisten. Berücksichtigt wird das Strassennetz in der Schweiz und im angrenzenden Ausland. Hauptaktionäre der Viasuisse sind SRG, TCS, SBB und Skymedia. Verbreitet werden die Verkehrsmeldungen über die folgenden Kanäle: SRF-Radio-sender und Lokalradios, SRF-Teletext Seite 490,
TCS-Website www.strassen info.ch, Astra-Website www.truckinfo.ch und Gratis-Apps von SRF und TCS.