Die längste Geranienkiste der Welt befand sich in Zürich. Exakt 217,13 Meter war sie lang. Ein Blumenladen an der Schipfe machte 1994 Schlagzeilen damit. Schipfe: Das kleine Quartier im Herzen der Altstadt war schon in der mittleren Bronzezeit vor über 3000 Jahren bewohnt, davon gehen die Historiker zumindest aus.
Bekannt ist, dass unter anderem CVP-Nationalrätin Kathy Riklin dort wohnt – in einer Dreizimmerwohnung, die der Stadt gehört, für rund 2300 Franken Miete pro Monat.
Zum Vergleich: Für ein kleines Einzimmerbüro an der Schipfe verlangt ein privater Vermieter auf der Internetplattform Homegate aktuell 1600 Franken.
Die Stadt Zürich besitzt Tausende günstige Wohnungen. Und wer wohnt dort? Die entsprechende städtische Verordnung ist vage. Es sei «ein angemessenes Verhältnis zwischen Mietzins und Einkommen zu berücksichtigen».
Nur eine Person in Familienwohnungen
Das Statistikamt der Stadt Zürich wertete vorletztes Jahr 4040 städtische Drei- bis Fünfzimmerwohnungen aus. Das Resultat: Bei fast 45 Prozent der Mieter war das steuerbare Einkommen vier Mal höher als der Bruttomietzins. Über 400 Mieter verdienen sogar acht Mal mehr. Insgesamt lebten 132 Vermögensmillionäre und 139 Grossverdiener mit einem Jahreslohn von über 150 000 Franken in Stadtwohnungen.
Ein anderes Problem stellt die Unterbelegung dar. Dazu steht in der Verordnung: «In der Regel soll die Personenzahl die Anzahl Zimmer höchstens um 1 unterschreiten.» Solche unscharfen Vorschriften haben dazu geführt, dass heute in 133 Vierzimmerwohnungen der Stadt jeweils nur eine Person lebt.
Immerhin: Seit 2014 brütet eine Spezialkommission des städtischen Finanzdepartements über Reformen. Stossrichtung: Bei einer Unterbelegung droht die Kündigung. Kommissionspräsident Davy Graf rechnet damit, dass die Kommission dem Stadtparlament «dieses Jahr» konkrete Empfehlungen abgeben kann.
Für viele Wohnungssuchende ist der Mittwoch ein wichtiger Tag. Die Stadt inseriert im «Tagblatt der Stadt Zürich» die offenen Stadtwohnungen. Der Bestand ist riesig: 9000 Einheiten. Riesig ist auch der Andrang. Manchmal steht eine Telefonnummer daneben. Die Auskunftsnummer ist dann jeweils eine halbe Stunde bedient.
Mieter wollen keine Marktpreise zahlen
saldo hat nachgezählt: 2015 schrieb die Stadt 300 Wohnungen aus. Das entspricht 3,3 Prozent aller städtischen Wohnungen.
Das Beratungsunternehmen Wüest & Partner rechnete für saldo die Umzugsrate für alle Wohnungen in der Stadt Zürich aus: 2015 wurden 11,9 Prozent aller Wohnungen frei. Bei dieser Rate hätte die Stadt über 1000 ihrer Wohnungen jährlich ausschreiben müssen – und nicht nur 300. Was ist der Grund für die unterdurchschnittliche Umzugsrate? Thomas Schmid von Wüest & Partner vermutet, dass die Mieter keine Marktpreise zahlen wollen und deshalb nicht ausziehen.
Dass es auch anders geht, zeigt die Stadt Bern. Sie geriet 2013 ebenfalls in die Schlagzeilen. Vermögensmillionäre und Grossverdiener wohnten jahrzehntelang in subventionierten Wohnungen. Nach einem grossen Medienecho zeigte die Finanzdirektion Zähne: 100 Mieter erhielten die Kündigung, 130 eine Mietzinserhöhung.
Der Kanton Basel-Stadt hat seine rund 1000 Wohnungen 1995 verkauft. Seither greift er Bedürftigen direkt unter die Arme. Ende 2014 unterstützte der Kanton über 1800 Haushalte mit Mietzinsverbilligungen von 50 bis 1000 Franken pro Monat.