Medikamente gegen Übergewicht gibt es kaum. Vor kurzem haben die Behörden das neue Abspeckmittel Saxenda zugelassen. Es verstärkt das Sättigungsgefühl im Hirn und verzögert das Entleeren des Magens. Die Folge: Man hat weniger Appetit. Das neue Medikament ist teuer: Es kostet pro Monat rund 380 Franken. Die Grundversicherung bezahlt davon nichts.
Ärzte dürfen Saxenda nur stark Übergewichtigen mit einem Body-Mass-Index über 30 verschreiben. Das entspricht bei einer Grösse von 180 Zentimetern einem Gewicht von 97 Kilo. Bei Diabetikern und Menschen mit Bluthochdruck oder zu viel Cholesterin ist das neue Mittel schon ab dem Body-Mass-Index 27 zugelassen. Anwender müssen es jeden Tag spritzen. Laut dem Beipackzettel soll man die Spritzen «zusätzlich zu einer Diät und körperlicher Aktivität» einsetzen.
Doch die Wirkung des Medikaments ist bescheiden. Saxenda enthält Liraglutid – den gleichen Wirkstoff wie das Diabetesmittel Victoza. Dieses ist seit acht Jahren erhältlich. Die Dosis des Wirkstoffs ist bei Saxenda aber fast doppelt so hoch. Heinrich von Grünigen, Präsident der Schweizerischen Adipositas-Stiftung, spritzt sich Victoza seit Jahren, obwohl er nicht Diabetes hat. «Victoza hat mir geholfen, den Appetit zu zügeln und weniger zu essen», sagt von Grünigen. Das Medikament habe ihn nicht leichter gemacht, aber mitgeholfen, das Gewicht zu stabilisieren.
Kein Erfolg ohne Sport und richtige Ernährung
Auch Studien mit über 3700 Übergewichtigen lassen an der Wirksamkeit von Saxenda zweifeln. Teilnehmer waren mit dem neuen Medikament zwar nach einem Jahr rund acht Kilo leichter – deutlich mehr als Testpersonen, die ein Scheinmedikament bekamen. Gleichzeitig mussten sie aber auch mehr Sport treiben und Tipps für eine gesunde Ernährung befolgen. Nachdem sie das Medikament abgesetzt hatten, nahmen sie wieder zu. Aber das war auch bei Studienteilnehmern der Fall, die Saxenda weiterhin verwendeten.
Das Mittel hat zudem happige Nebenwirkungen. Wolfgang Becker-Brüser, Arzt und Herausgeber der Zeitschrift «Arznei-Telegramm»: «Jeder zehnte Studienteilnehmer brach die Behandlung wegen unerwünschter Wirkungen ab.» Dazu gehören Übelkeit, Durchfall, Verstopfung und Erbrechen. Schon seit ein paar Jahren steht der Wirkstoff zudem in Verdacht, Entzündungen der Bauchspeicheldrüse zu begünstigen. Becker-Brüser rät ab, Saxenda auszuprobieren: «Ausreichende Daten zur langfristigen Sicherheit fehlen.»
Auch Etzel Gysling, Arzt und Herausgeber der Zeitschrift «Pharma-Kritik» würde übergewichtigen Patienten Saxenda nicht verschreiben. «Ich bin nicht sicher, ob viele Leute Saxenda längerfristig vertragen.» Besser sei das Diabetesmedikament Metformin. Dieses helfe ebenfalls beim Abnehmen, sei aber verträglicher und koste zwanzigmal weniger.
Saxenda-Hersteller Novo-Nordisk schreibt, die Heilmittelbehörde Swissmedic habe das Medikament als sicher eingestuft. Wer die Dosis schrittweise anpasse, könne Nebenwirkungen wie Übelkeit oder Erbrechen reduzieren oder verhindern. Anwender könnten das Risiko einer erneuten Gewichtszunahme vermindern, wenn sie ihren Lebensstil «nachhaltig anpassen».