Die halbprivat versicherte Patientin musste ihr Zimmer in der Privatklinik am Sonntag beziehen. Der Arzt operierte ihr Knie am Dienstag. Solche Terminplanung ist nicht selten: Laut Erika Ziltener vom Dachverband der Patientenstellen «gibt es oft keine zwingenden Gründe für eine Spitaleinweisung».
Einzelne Kantone gehen nun dagegen vor: Der Luzerner Gesundheitsdirektor Guido Graf (CVP) will ab Sommer 13 Eingriffe im Spital nur noch ambulant durchführen lassen. Dazu zählen Operationen an Mandeln, Krampfadern, Meniskus sowie das Einsetzen von Herzschrittmachern. Auch der Zürcher Gesundheitsdirektor Thomas Heiniger (FDP) will, dass sich sein Kanton ab 2018 nur noch an stationären Kosten beteiligt, wenn keine ambulante Behandlung möglich ist. So sollen Patienten nach der Operation an der Leiste oder des grauen Stars nach Hause gehen. Ausnahmen müssen die Ärzte künftig begründen. Der Kanton will damit 7 Millionen Franken pro Jahr sparen.
Hintergrund: Die Kosten von ambulanten und stationären Behandlungen gehen weit auseinander. Eine Meniskusoperation schlägt bei Grundversicherten ambulant mit 2400 Franken und stationär mit 6935 Franken zu Buche. Eine ambulante Krampfadernoperation kostet im Durchschnitt rund 2500 Franken, stationär 6044 Franken. Die Befürworter einer Verlagerung zu ambulanten Behandlungen argumentieren, dass Schweizer Spitäler im internationalen Vergleich zu viele Eingriffe stationär vornehmen. Ein Report der Wirtschaftsberatungsfirma PWC ortet hier ein jährliches Sparpotenzial von einer Milliarde Franken.
Auch die Spitäler forcieren den Trend zu ambulanter Versorgung. So eröffnete das Kantonsspital Winterthur Anfang Februar eine Fachärztepraxis im Einkaufszentrum Glatt in Wallisellen ZH. Das Spital Bülach übernahm Mitte 2016 das «Airport Medical Center» im Flughafen Zürich. Das Kantonsspital Baden lancierte im Juli 2016 eine Tagesklinik in Aarau. Die private Hirslanden-Gruppe betreibt unter anderem ein Walk-in-Zentrum in Bern und ein Praxiszentrum in Düdingen FR.
Kantone sparen auf Kosten der Prämienzahler
Mehr ambulante Behandlungen müssten eigentlich auch die Prämienzahler finanziell entlasten. Bisher ist das nicht der Fall – die gesamten Spitalkosten steigen. Die ambulanten Kosten wuchsen seit 2014 um 10 Prozent, die stationären Kosten trotzdem noch um 1 Prozent (siehe Tabelle im PDF).
Kommt hinzu: Prämienzahler müssen 100 Prozent der ambulanten Leistungen im Spital zahlen – bei den Kosten eines stationären Aufenthalts im Spital sind es nur 45 Prozent. Der Kanton übernimmt die übrigen 55 Prozent. Laut der Zürcher Gesundheitsökonomin Anna Sax verursacht die Verschiebung in den ambulanten Bereich massgeblich das «rasante Prämienwachstum» der letzten Jahre. Nach ihren Berechnungen verdoppelten sich Prämien und Kostenbeteiligungen der Patienten in 20 Jahren. Die Gesundheitskosten stiegen nur um 60 Prozent. Patientenschützerin Erika Ziltener fordert, dass Kantone und Krankenversicherer zu gleichen Teilen stationäre und ambulante Leistungen finanzieren sollten. Das würde Fehlanreize beseitigen, die Qualität verbessern und die Prämienzahler entlasten.
Ambulant: Günstiger, aber häufiger
Ambulante Operationen kosten weniger als entsprechende stationäre Behandlungen. Dennoch sparen Krankenkassen kein Geld durch eine Verlagerung. Das liegt daran, dass die Zahl ambulanter Operationen stark wächst, ohne dass stationäre Eingriffe entsprechend zurückgehen. Eine Studie des Schweizer Gesundheitsobservatoriums Obsan von 2015 zeigt, dass Schweizer Spitäler von 2007 bis 2013 elf gängige Operationen häufiger ambulant vornahmen. So wuchs die Zahl ambulanter Stent-Eingriffe um 78 Prozent im Jahr, die Einpflanzung von Herzschrittmachern um 24 Prozent, auch ambulante Leisten- und Krampfadernoperationen nahmen zu. Dennoch gab es mehr stationäre Aufenthalte solcher Patienten. Laut Obsan können zu hohe Honorare Ärzte dazu verleiten, Patienten unnötigerweise zu operieren. Das Bundesamt für Gesundheit hält 20 Prozent aller Behandlungen für medizinisch unnötig.