Für schwer herzkranke Patienten ist eine Minipumpe oft die letzte Hoffnung. Sie bekommen das kleine Gerät eingepflanzt, damit es dem Herz hilft, Blut in den Kreislauf zu pumpen. Bislang waren zwei Modelle erhältlich, die die linke Herzkammer unterstützen. Doch im vergangenen Juni nahm Medtronic das Modell «Heart Ware» vom Markt.
Der internationale Medizintechnikkonzern gab die Sicherheitsprobleme in einer schriftlichen Erklärung zu. Im Vergleich mit den Herzpumpen des US-Konzerns Abbott zeige sich bei den Heart-Ware-Systemen «eine erhöhte Häufigkeit von unerwünschten neurologischen Ereignissen, einschliesslich Schlaganfall und Sterblichkeit». Das zeige «eine wachsende Anzahl» von Vergleichsstudien.
Die Probleme waren seit 2014 bekannt
Der Rückzug kam spät. Ein früherer Verkaufsstopp hätte verhindert, dass weitere Patienten unnötigen Risiken durch Heart-Ware-Pumpen ausgesetzt wurden. Medtronic kaufte den US- Herzpumpen-Hersteller Heart Ware im Jahr 2016. Schon damals wusste Medtronic, dass die Herzpumpen fehleranfällig sind. Inspektoren der US- Aufsichtsbehörde stellten seit 2014 jedes Jahr zahlreiche technische Mängel an den Geräten fest. Dazu gehören häufige Betriebsausfälle der Batterien, des Motors und der Steuereinheit.
Die Aufsichtsbehörde kritisierte mehrmals, dass die Fehler nur schleppend oder gar nicht beseitigt würden. Seit 2017 zeigten zudem mehrere Studien, dass Heart-Ware-Pumpen öfter zu Schlaganfällen führen als die Konkurrenzprodukte von Abbott. Nach Angaben von Medtronic tragen weltweit 4000 Menschen eine Medtronic- Pumpe in der Brust. Wie viele es in der Schweiz sind, ist unklar.
Die Medtronic-Geräte fielen auch beim schweizerischen Heilmittel-institut Swissmedic negativ auf. Die Behörde registrierte seit 2011 bei implantierten Herzpumpen 225 unerwünschte Vorfälle. 203 Meldungen davon betrafen Medtronic-Geräte, zehn Patienten starben. Laut den Behörden kam es in Deutschland zu 127, in den USA zu rund 3000 Todesfällen – wegen oder mit der Pumpe.
Andere Spitäler musterten die Pumpen schon lange aus
Im vergangenen Juni warnte Medtronic, dass Heart-Ware-Geräte, die einmal vom Strom getrennt waren, nur verzögert oder gar nicht mehr starteten. Folge: Die Herzen der Patienten blieben ohne Unterstützung. Das Unternehmen erhielt seit 2009 dazu 106 Beschwerden. 14 Fälle führten zum Tod der Patienten. Medtronic sah sich aber nicht in der Lage, «eine Grundursache» für das zwölf Jahre alte Problem zu finden.
Schweizer Chirurgen implantierten die fehleranfälligen Heart-Ware- Geräte trotzdem bis vor kurzem. Das Universitätsspital Zürich pflanzte seit 2013 im Durchschnitt zehn Stück pro Jahr ein, das Berner Inselspital seit 2015 insgesamt 45 Pumpen. Fünf Eingriffe erfolgten in diesem Jahr. Andere Spitäler musterten die heiklen Pumpen längst aus. Das Universitätsspital Basel wechselte Anfang 2019 von Medtronic-Pumpen zu denen von Abbott. Das Universitätsspital Lausanne verzichtet bereits seit 2015 auf Heart-Ware-Pumpen. Das Unispital Genf implantierte nie Medtronic-Geräte. «Es ist klar, dass die Heart-Ware-Technik der des Konkurrenten unterlegen ist», teilt die Klinik auf Anfrage mit.
Ein Sprecher des Unispitals Zürich rechtfertigt den weiteren Einsatz der Medtronic-Pumpen damit, dass man «keine negativen Erfahrungen mit dem Produkt» gemacht habe. Und ein Sprecher des Berner Inselspital erklärt, dass Heart-Ware-Pumpen «jeweils nach sorgfältiger individueller» Prüfung der Behandlungsmöglichkeiten implantiert würden.
Trotz der Probleme empfiehlt Jan Gummert, Direktor der Klinik für Thorax- und Kardiovaskularchirurgie am Herzzentrum in Bad Oeynhausen (D), Medtronic-Pumpen «nicht proaktiv auszutauschen». Grund: Das Risiko des operativen Austauschs sei «höher als das Risiko eines technischen Versagens der Pumpe».
Die Heilmittelbehörde Swissmedic weist jede Verantwortung im Zusammenhang mit den umstrittenen Pumpen von sich. Medtronic sei für die Kontrolle der Sicherheit seiner Geräte zuständig und müsse «schwerwiegende Vorkommnisse» bei Patienten sowie Korrekturmassnahmen an Swissmedic melden. Das habe man überwacht. Medtronic in Münchenbuchsee BE äussert sich nicht zu den Vorwürfen.