Das Zürcher Stadtspital Triemli bezog im Jahr 2016 das für 290 Millionen Franken erstellte Bettenhaus. Rasch zeigte sich, dass der Neubau eine Nummer zu gross war. Die Einnahmen fielen viel tiefer aus als erwartet und konnten die Abschreibungskosten des Neubaus nicht decken. Der Stadtrat von Zürich hat deshalb in der Jahresrechnung 2019 den Wert des Neubaus in der Bilanz von 346 Millionen Franken auf 170 Millionen reduziert. Die Differenz von 176 Millionen verbuchte er als «ausserplanmässige Abschreibung». Das Zürcher Verwaltungsgericht verbot Anfang Jahr diese Art von Bilanzkosmetik.
Auch das öffentliche Basler Felix- Platter-Spital schreibt Verluste, seit es 2019 den über 250 Millionen Franken teuren Neubau bezog. Die Basler Regierung schoss bisher 120 Millionen Franken als Darlehen ein – und schliesst weitere staatliche Hilfen nicht aus.
Spitäler sind zu wenig rentabel für teure Neubauten
Diese zwei Beispiele sind keine Einzelfälle für hohe Investitionen der öffentlichen Spitäler in Neubauten. Das Universitätsspital Zürich etwa will rund 2 Milliarden Franken für die Gesamterneuerung seiner Gebäude ausgeben. Die erste Bauetappe (Kosten: 800 Millionen Franken) soll 2028 abgeschlossen sein. In den Kantonen Aargau, Basel, Bern, Luzern und Zürich planen die öffentlichen Spitäler nach Berechnungen von saldo, bis 2039 insgesamt rund 6 Milliarden in neue Bauten zu investieren. Das Branchenportal Medinside schätzt die Investitionen öffentlicher Spitäler in Neubauten von 2016 bis 2039 auf rund 15 Milliarden Franken.
In der Spitalbranche sei eine Gewinnmarge von mindestens 10 Prozent notwendig, um Investitionen in einen Neubau tragen zu können, sagt Gesundheitsökonom Stefan Felder von der Uni Basel. Von den Einnahmen müsse nach Abzug der Betriebskosten genug Geld vorhanden sein, um Kreditzinsen, Abschreibungen und Amortisationen bezahlen zu können. «Da ist eine Profitmarge von 10 Prozent eher an der unteren Grenze des Notwendigen.» Die meisten Spitäler erreichen dies nicht, wie jährliche Auswertungen des Wirtschaftsprüfers Pricewaterhouse-Coopers zeigen. Selbst die grossen Unispitäler in Zürich, Basel und Bern liegen unter 10 Prozent, wie deren Jahresberichte zeigen.
«Viele Bauprojekte sind überdimensioniert»
Felder kritisiert die Spitäler. Sie würden zu teure Bauten planen. «Das Kostenniveau ist sehr hoch.» Auch der Berner Gesundheitsökonom Heinz Locher hält viele Bauprojekte für «überdimensioniert». Ähnlich tönt es in kantonalen Gesundheitsämtern. Dort sprechen Fachleute gegenüber saldo hinter vorgehaltener Hand von «teuren Luxusbauten» und «ruinösen Prestigeprojekten».
Das Unispital Zürich engagierte für sein Neubauprojekt das renommierte Architekturbüro Christ & Gantenbein. Das Zürcher Kinderspital beauftragte wie das Unispital Basel die Stararchitekten Herzog & de Meuron für den Neubau. In Basel rechnet man mit Kosten von 1,4 Milliarden Franken. Das Zürcher Kinderspital sollte 625 Millionen Franken kosten. Im Juni 2021 teilten die Verantwortlichen dann mit, dass der Neubau bis zu 680 Millionen kosten werde. Die Mehrkosten trägt laut Spitalleitung die Eleonorenstiftung als Trägerin des Kinderspitals. Mit einem Darlehen von 150 Millionen Franken ist allerdings auch der Kanton Zürich beteiligt.
Mehr Operationen oder höhere Fallpauschalen
Um ihre Neubauten abzuzahlen, setzen die meisten Spitäler auf mehr Operationen. So baut das Kantonsspital Baden einen achten Operationssaal und erhöht die Anzahl der Betten von 370 auf 400. Die Berner Inselspital-Gruppe hofft nach eigenen Angaben ebenfalls auf mehr Patienten. Und in den im Januar veröffentlichten Bauplänen des Basler Unispitals steht, dass das Spital auf Wachstum «sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich» setzt.
Das Unispital Zürich und das Kantonsspital Winterthur sagen, sie würden keine Mengenausweitung anstreben. Stattdessen fordern sie von den Krankenkassen und dem Kanton mehr Geld pro Operation.
Ob Mengenausweitung oder höhere Fallpauschalen – die Folgen sind steigende Krankheitskosten. Die Spitäler versuchen mit diesen Mehreinnahmen, ihre Neubauten abzubezahlen. Gelingt dies nicht, muss der Staat helfen. «Mehrkosten für den Steuer- und Prämienzahler sind unausweichlich», folgert Hansjörg Lehmann, Finanzdirektor des Kantonsspitals Winterthur. Davon gehen auch die Gesundheitsökonomen Heinz Locher und Stefan Felder sowie Fachleute in den kantonalen Gesundheitsämtern aus.
Neubauprojekte sind zu teuer
Die meisten Spitäler erreichen die in der Branche als Richtwert geltende und von den Kantonen von ihren Spitälern geforderte Gewinnmarge von 10 Prozent zur Finanzierung ihrer Neubauten nicht. Einige Beispiele:
- Universitätsspital Zürich: Kosten des Gesamtprojekts (drei Bauetappen): 2 Milliarden Franken. Fertigstellung: offen. Gewinnmarge: 7,6 % (2019)
- Inselspital Bern: Kosten: 1 Milliarde Franken. Fertigstellung: 2025. Gewinnmarge: 6,9 % (2021)
- Universitätsspital Basel: Kosten: 1,4 Milliarden Franken. Fertigstellung: 2039. Gewinnmarge: 7,7 % (2019)
- Kantonsspital Baden: Kosten: 545 Millionen Franken. Fertigstellung: 2024. Gewinnmarge: 9,5 % (2021)
- Kantonsspital Winterthur: Kosten: 350 Millionen Franken. Fertigstellung: Februar 2022. Gewinnmarge: 7,5 % (2021)
Die Zahlen für 2020 sind in dieser Aufstellung nicht berücksichtigt: Wegen des zeitweiligen Operationsverbots während der Coronapandemie liegen die Gewinne in diesem Jahr tiefer und sind nicht aussagekräftig.