Es soll «das perfekte Geschenk für Eltern und Grosseltern» sein: das Programm für Gehirntraining am Computer oder auf dem Handy. Mit den Übungen könne man «Demenz aktiv vorbeugen», behauptet die deutsche Firma Memorado im Internet. Denkspiele sollen geistige Fähigkeiten trainieren, etwa Konzentration, Logik oder Reaktion. Beispiel «Power-Memory»: Man sieht auf dem Bildschirm mehrere weisse Quadrate. Für einen kurzen Moment leuchten einige davon grün auf. Diese muss man sich merken und anklicken.
Laut Peter Züger von der Swiss Interactive Entertainment Association, dem Verband der Hersteller von Computer- und Videospielen, sind solche Spiele sehr beliebt. So gehörte «Dr. Kawashimas Gehirn-Jogging» lange zu den meistverkauften Spielen in der Schweiz. Man muss Kopfrechnungen lösen, zählen, schnell lesen oder Silben zählen.
Selbst Ärzte raten bisweilen dazu. So Alterspsychiater Christian Koch von der Memory-Klinik in Chur. Er empfiehlt auf der Klinik-Website Spiele wie Schach, Memory, Jassen, Kreuzworträtsel und Gehirnjogging, um Demenz vorzubeugen.
Doch das bringt wenig. Zu diesem Schluss kamen kürzlich über 70 Wissenschafter aus verschiedenen Ländern. Sie diskutierten das Thema unter der Leitung der Stanford University in Kalifornien (USA) und dem deutschen Max-Planck-Institut für Bildungsforschung.
In einer Erklärung schrieben die Forscher: «Gehirnjogging ist kein wissenschaftlich nachgewiesener Weg, um das Nachlassen der geistigen Leistungsfähigkeit zu vermindern oder umzukehren.» Hersteller solcher Produkte würden bloss «die Ängste älterer Menschen ausnutzen».
Zwar könne man bestimmte Fähigkeiten verbessern, zum Beispiel die Reaktion. Doch Mike Martin, Professor für Alterspsychologie an der Universität Zürich und Mitunterzeichner der Erklärung, schränkt ein: «Das gilt nur für diejenige Aufgabe, die man trainiert hat.» Das bedeute nicht, dass man auch in anderen Situationen schneller reagiere.
Die gute Nachricht: Betroffene können trotzdem etwas tun für ihre grauen Zellen. Ansgar Felbecker ist Demenz-Facharzt am Kantonsspital St. Gallen. Er rät, sich viel zu bewegen, gesund zu essen, Kontakte zu pflegen und geistig aktiv zu bleiben (siehe Kasten). «Gehirnjogging kann ein Teil davon sein, genügt aber nicht», sagt Felbecker.
Christian Koch räumt ein, dass Spiele und Gehirnjogging eine Demenz nicht verhindern können. Wichtig sei, dass man im Alter das Gehirn nutze und nicht vor dem Fernseher «geistig abstumpft». Gedächtnistraining in Kliniken kombiniere verschiedene Aspekte wie Denksport, soziale Kontakte und körperliche Bewegung.
Hersteller Memorado sagt, dass er «keinerlei Demenzängste» ausnutze und sich nicht nur auf eine ältere Zielgruppe beziehe. Nintendo schreibt, «Dr. Kawashimas Gehirn-Jogging» richte sich nicht speziell an Ältere und sei nicht zu «therapeutischen Zwecken» entwickelt worden. Und: Nintendo habe niemals behauptet oder suggeriert, dass man damit Demenz vorbeugen könne.
Tipps
- Bewegen Sie sich mindestens zweimal pro Woche draussen.
- Essen Sie mediterran: wenig tierische Fette, viel Gemüse, Obst, Fisch und Oliven- oder Rapsöl.
- Treffen Sie sich regelmässig mit Freunden.
- Setzen Sie sich mit einer neuen Technik auseinander, probieren Sie neue Rezepte oder entdecken Sie ein neues Reiseziel.
- Schützen Sie Ihren Kopf beim Sport.
- Verzichten Sie aufs Rauchen und auf viel Alkohol. Das hält die Hirngefässe gesund.
«Sehr beliebt»: Spiel «Dr. Kawashimas Gehirn-Jogging»