Plumper gehts kaum: Der «Sonntagsblick» propagiert auf der Titelseite «Ferienland Schweiz – Wir sind Spitze!» Diese Schlagzeile vom Sonntag, 22. März, ist Reklame pur. Ebenso die folgenden vier Seiten im redaktionellen Teil. «Schweizer Alpen-Hotels sind top» betitelt Chefredaktorin Christine Maier einen von ihr verfassten Artikel.
Nach der Lektüre dieser touristischen Werbebotschaft fühlt sich der Leser ein bisschen schuldig, dass er nicht längst bei der hiesigen Hotellerie gebucht hat, um ihr aus der Fran-kenmisere herauszuhelfen. Ganz im Sinn der redaktionellen Aufforderung: «Ich wünsche Ihnen viel Spass in den Bergen!»
Gefälligkeitsinterviews mit den Chefs von Post und Swisscom
Diese Form von Werbung einer Interessengruppe ist typisch für die Schweizer Sonntagspresse. Zum Nachteil der Leser lassen sich die Zeitungen Woche für Woche von Lobbygruppen und sogar Unternehmen einspannen. So lässt die «Schweiz am Sonntag» den Postchef in einem Gefälligkeitsinterview ungefiltert zu Wort kommen, etwa zum Thema Tariferhöhungen: «Mit welchem Preis wären die Kosten gedeckt?», fragt der Interviewer naiv – statt die Milliardengewinne der Post in den letzten Jahren zu thematisieren. Wenig überraschend plädiert der Post-Konzernchef für einen Aufschlag von 20 Rappen bei der A-Briefpost, immerhin 20 Prozent mehr als heute.
Ins gleiche Kapitel gehört ein Interview in der «NZZ am Sonntag» mit Hansueli Loosli, dem Verwaltungsratspräsidenten von Swisscom und Coop. Da lautet doch eine Frage allen Ernstes: «Ist die hiesige Wirtschaft gut auf die Digitalisierung vorbereitet?» Die Antwort ist naheliegend: «Wir haben in unserem Land ein super Telekomnetz, hochwertige Technologie…»
Die Leser würden wohl andere Fragen stellen. Etwa: «Warum ist die Swisscom so teuer?» Oder, noch naheliegender: «Ist es sinnvoll, dass ein einzelner Mann die Verantwortung für zwei so grosse und derart unterschiedliche Unternehmen wie Coop und Swisscom trägt?»
Steilvorlagen für den Lobbyisten der Pensionskassen
Ein Musterbeispiel des politischen Lobbyings lieferte am gleichen Wochenende auch die «Sonntags-Zeitung» mit einem Interview, in dem der Direktor des Pensionskassenverbands zu Wort kommt: Der Interessenvertreter darf der Leserschaft durchs Band weg vorjammern: Die Negativzinsen der Nationalbank belasteten das Geschäft, die angeblich noch immer steigende Lebenserwartung gefährde die Renten und, natürlich, der Umwandlungssatz sei viel zu hoch angesetzt.
«Sie sprechen sich mit dem Bundesrat für eine Senkung des Umwandlungssatzes von 6,8 auf 6 Prozent aus. Versicherungstechnisch müsste der Umwandlungssatz aber schon heute klar unter 6 Prozent liegen.» Das behauptet nicht etwa der Lobbyist – es ist die «Frage» des Journalisten an den Pensionskassenvertreter. Ehrfürchtig auch die nächste Steilvorlage des Interviewers für Rentenkürzungen: «Eine Folge des Umwandlungssatzes ist, dass die Pensionskassen jedem Neurentner 40 000 Franken zuschiessen müssen. Dieses Geld wird doch den Versicherten weggenommen.» Kein Wort davon, dass es den Pensionskassen so gut geht wie noch nie.
Redaktioneller Raum für das Lamento des Chefs von Swiss
Die Fluggesellschaft Swiss hat ein anderes Problem. Die Qualität des Kundenservices kann kaum mehr sinken und der Tarifwirrwarr nicht mehr zunehmen. Andere Airlines mit mehr Komfort erschweren der Lufthansa-Tochter das Geldverdienen an den Schweizern.
Doch da eilt die «Sonntags-Zeitung» zu Hilfe: «Swiss-Chef Harry Hohmeister fordert, dass der Bund einschreitet.» Die Zeitung zitiert das Lamento des CEO und die Forderung des Branchenverbandes Aerosuisse, die Schweiz solle ihre Verkehrsrechte künftig restriktiver vergeben.
Harry Hohmeier doppelt nach: «Sicherlich sind in der aktuellen Situation Fluggesellschaften aus dem Nahen und Mittleren Osten keine weiterführenden Verkehrsrechte mehr zu gewähren.»
Käufer der Sonntagszeitungen wissen, dass sie bei der Lektüre viel Werbung im redaktionellen Teil in Kauf nehmen müssen – für Grossverteiler, Autos, Mode oder Uhren. Aber diese Anzeigen sind optisch so dick aufgetragen, dass sie als Reklame ins Auge springen.
Viel heikler ist jedoch die unterschwellige Werbung der Journalisten, die sich vor den Karren politischer oder wirtschaftlicher Interessensgruppen spannen lassen. Ohne dabei an das Interesse ihrer Leserschaft zu denken, nicht an der Nase herumgeführt zu werden.