Die Nachfrage nach Bio-Gemüse und -Früchten ist grösser als das Angebot. Also wird aus konventionellen Samen und Setzlingen Bio-Ware (saldo 6/14). Die Konsumenten zahlen für diesen Schwindel viel Geld: Bio-Gemüse ist im Laden im Durchschnitt 55 bis 70 Prozent teurer als konventionelles Gemüse. Dies schreibt das Bundesamt für Landwirtschaft in einem aktuellen Marktbericht.
Auch für tierische Produkte mit Bio-Auszeichnung greifen Konsumenten tiefer ins Portemonnaie. Diese Produkte gelten als gesünder, beispielsweise der Medikamenten- und Antibiotikaeinsatz stärker reglementiert ist. Zudem sollten Bio-Höfe ihre Tiere besser behandeln als konventionelle Betriebe. Die Händler nutzen dies aus:
- Migros verlangt für normale Schweizer Rindsplätzli Fr. 34.70 pro Kilogramm. Mit dem Migros-Bio-Label kosten die Plätzli rund 54 Franken – fast 20 Franken mehr.
- Bei Coop kosten 1 Kilogramm Naturaplan Bio-Pouletschenkel Fr. 23.50, konventionelle 14 Franken.
- 1 Liter Valflora UHT-Vollmilch von der Migros kostet Fr. 1.35 – UHT-Vollmilch mit dem Bio-Label Fr. 1.85.
- Sechs Schweizer Bio-Eier aus Freilandhaltung kosten bei Migros Fr. 4.75, normale Eier aus Freilandhaltung Fr. 3.60.
Aufgrund der hohen Bio-Zuschläge wollen die Viehzüchter und Läden möglichst viele Produkte mit dem Label auszeichnen. Wenn die Nachfrage grösser ist als das Angebot, darf auch getrickst werden: Bio-Bauern können Tiere aus konventionellen Betrieben zukaufen – und nach einer kurzen Frist als Bio-Fleisch verkaufen. Das steht in der Schweizer Bio-Verordnung und in den Richtlinien von Bio Suisse, dem Dachverband der über 5800 Knospe-Betriebe.
Hühner legen nach sechs Wochen Bio-Haltung Bio-Eier
Konkret: Bio-Höfe dürfen das Fleisch von zugekauften Rindern und Pferden nach zwölf Monaten mit Bio-Gütezeichen verkaufen. Einzige Bedingung: Die Tiere müssen drei Viertel ihres Lebens auf einem Bio-Hof verbracht haben. Kalbt eine zugekaufte Kuh auf dem Bio-Betrieb, ist das Kalb automatisch ein Bio-Kalb.
Noch schneller erhalten Schweine und Schafe ein Bio-Upgrade: Bereits nach sechs Monaten Aufenthalt auf dem Bio-Hof erhält ihr Fleisch das Bio-Label.
Der Trick funktioniert auch bei Milch und Eiern. Nach sechs Monaten liefern konventionelle Kühe, Ziegen und Schafe auf dem biologischen Hof Bio-Milch. Daraus entstehen Bio-Butter, Bio-Joghurt, Bio-Käse oder Bio-Rahm. Hühner aus normalen Betrieben legen nach sechs Wochen biologischer Haltung Bio-Eier.
Noch mehr Spielraum haben Bio-Betriebe bei Fisch. Dieser ist in der Schweizer Bio-Verordnung nicht geregelt. Daher kann jeder Laden in der Schweiz seinen Fisch mit dem Zusatz «Bio» schmücken (saldo 13/10). Für Bio-Fisch mit der Knospe gelten die Bestimmungen von Bio Suisse. Fischzuchten dürfen danach mit Erlaubnis der Zertifizierungsstelle auch nicht-biologische Jungfische zukaufen. Die Fische müssen nur zwei Drittel ihres Lebens auf dem Bio-Betrieb verbringen, um schliesslich mit der Knospe ausgezeichnet zu werden.
Bis 20 Prozent der Bio-Herde dürfen zugekaufte Tiere sein
Bio-Höfe, die konventionell gehaltene Tiere zukaufen wollen, brauchen dafür eine Bewilligung. Aber auch hier gilt: Keine Regel ohne Ausnahmen. Keine schriftliche Bewilligung der Bio-Zertifizierungsstellen braucht es beispielsweise, wenn ein Bio-Hof männlichen Zuchttiere zukaufen will. Bio-Landwirte dürfen zudem Rinder und Pferde aus konventionellen Betrieben im Umfang von 10 Prozent des Bestandes generell ohne Bewilligung aufnehmen. Bei Schweinen, Schafen und Ziegen sind es 20 Prozent.
Beispiel: Hält ein Bio-Landwirt 20 ausgewachsene Schweine, darf er ohne Bewilligung 4 konventionelle Schweine in die Herde aufnehmen – und ihr Fleisch nach sechs Monaten als Bio verkaufen.
Nur wer mehr Tiere aufnehmen will, braucht eine schriftliche Ausnahmebewilligung. Knospe-Betriebe erhalten sie von den Zertifizierungsstellen Bio-Inspecta aus Frick AG oder der Berner Bio Test Agro AG.
Ausnahmebewilligungen auch bei der Fütterung von Bio-Tieren
Laut eigenen Angaben bewilligten Bio Inspecta und Bio Test Agro im letzten Jahr knapp 150 Gesuche von Bio-Betrieben. Wie viele Tiere insgesamt von konventionellen in biologische Betriebe wechselten, sagten die Zertifizierungsstellen nicht. saldo bat um Einblick in die Jahresberichte. Doch Bio Suisse mauert: «Die Zahlen sind weitgehend unkommentiert und könnten ohne Erläuterung missverständlich sein.»
Fest steht: Der Zukauf von konventionellen Tieren läuft trotz der largen Richtlinien nicht immer sauber ab. Der häufigste Verstoss der Bio-Betriebe war laut Bio-Inspecta im Jahr 2010 der Zukauf von nicht bewilligten konventionellen Zuchttieren. Neuere Zahlen gibt es nicht.
Übrigens: Nicht immer erhalten Bio-Tiere auf dem Bio-Hof biologisches Futter. Das zeigen Zahlen des Bundesamts für Landwirtschaft. In den Jahren 2011 und 2012 erteilten Bio Inspecta und Bio Test Agro insgesamt 355 Ausnahmebewilligungen für eine Fütterung von Bio-Tieren mit konventionellem Futter. Die Bewilligungen sind meist mehrere Monate gültig.