Den Kunden der WIR-Bank flatterte kürzlich Post ins Haus. «Wir zahlen keine ausschweifenden Boni», steht im beiliegenden Faltprospekt. Die Bank unterscheidet sich darin auch von anderen Schweizer Instituten, dass sie als Erste von den inländischen Kunden den Verzicht auf das Bankgeheimnis verlangt.
Dem Versand liegen neue «Allgemeine Geschäftsbedingungen der WIR-Bank Genossenschaft» (AGB) bei. Wer sich ins kleingedruckte Juristendeutsch vorwagt, findet in den neuen AGB den Satz: «Der Kunde verzichtet in vollem Umfang auf den Schutz des Bankkundengeheimnisses.» Im Begleitschreiben steht dazu kein Wort.
Bank hat die Kunden nie um ihre Meinung gefragt
Gemäss dem neuen Artikel stimmt der Kunde zu, dass die Bank seine Daten «an Dritte im In- und Ausland weitergeben darf». Er willigt ein in «die Verwendung und Weitergabe von Daten zu Zwecken der Verkaufsförderung, (WIR-) Umsatzförderung und Marketing». Und er segnet die Datenweitergabe für «die Wahrung der Interessen der Bank» ab. Kurz: Der Kunde erteilt der Bank einen Blankoscheck für die Weitergabe von Daten.
WIR-Sprecher Volker Strohm sieht das anders: «Nicht die WIR-Bank hebt das Bankkundengeheimnis auf, es sind die Kunden, welche die WIR-Bank von der Pflicht entbinden, das Bankkundengeheimnis zu wahren.»
Die WIR-Bank hat ihre Kunden jedoch bis heute nicht um ihre Meinung gefragt. Und doch halten die neuen AGB mit Datum «Oktober 2016» fest: «Der Kunde verzichtet in vollem Umfang auf den Schutz des Bankkundengeheimnisses.» Auf Nachfrage sagt Strohm, man werde den Kunden noch ein Formular zustellen, auf dem sie mit ihrer Unterschrift den Verzicht auf das Bankkundengeheimnis erklären können.
Die WIR-Bank macht sich möglicherweise sogar strafbar
Im Büro des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten zeigt man sich aufgrund einer ersten Einschätzung irritiert. Sprecher Francis Meier sagt: «Ob der Kunde tatsächlich via Annahme der AGB ‹in vollem Umfang auf den Schutz des Bankkundengeheimnisses verzichten› kann, ist zumindest fraglich.» Dies zu beurteilen obliege allerdings den Strafverfolgungsbehörden, da die Verletzung des Bankgeheimnisses ein Straftatbestand sei.
Die Datenschutzbestimmungen in den AGB der WIR-Bank weisen gemäss Meier «verschiedene Unstimmigkeiten» auf. So gehe daraus «nur ungenügend hervor, welche Daten zu welchen Zwecken bearbeitet werden». Diese Präzisierungen seien erforderlich, damit die Kunden wissen, in was sie genau einwilligen. Auch müsse den Kunden die Möglichkeit eingeräumt werden, einer Bearbeitung von Kundendaten beispielsweise für Marketingzwecke zu widersprechen. Ein entsprechender Hinweis fehle bei der WIR-Bank.
WIR-Sprecher Strohm behauptet, die neuen AGB gäben lediglich die heutige Bankenrealität wieder.
Tatsächlich? Eine saldo-Umfrage bei Credit Suisse, UBS und den wichtigsten Regional- und Kantonalbanken ergibt, dass zurzeit kein anderes Institut das Bankgeheimnis für Inlandkunden aufzuheben gedenkt.
Rechtlich sind die WIR-Kunden nicht verpflichtet, ein Formular zur Aufhebung des Bankgeheimnisses zu unterschreiben (siehe Kasten). Sie gehen aber das Risiko ein, dass die WIR-Bank die Geschäftsbeziehung kündigt. Ob es dazu kommt, beantwortet WIR-Sprecher Strohm auch nach zweimaligem Nachfragen nicht.
WIR-Kunden müssen nicht aufs Bankgeheimnis verzichten
Für die Kunden von Banken mit Sitz in der Schweiz gilt das Bankgeheimnis. Eine Bank, die Daten an Dritte herausgibt, macht sich strafbar. Das gilt aber nur, sofern die Kunden nicht ausdrücklich aufs Bankgeheimnis verzichten.
Ein Verzicht hat keinerlei Vorteile. Nachteilig ist: Kunden wissen nicht mehr, welche Privaten, Unternehmen oder Behörden in aller Welt über ihre Bankkonten, ihr Zahlungsverhalten und ihr Vermögen orientiert sind.
Deshalb rät saldo: Schreiben Sie der WIR-Bank, dass Sie die neuen AGB nicht akzeptieren und am bisherigen Datenschutz und Bankgeheimnis festhalten. In diesem Fall gelten die alten AGB weiterhin bis zu einer Kündigung des Vertrags.
Falls die WIR-Bank kündigt, stellt sich die Frage, was mit dem WIR-Guthaben der Kunden passiert. Laut AGB «bleibt das WIR-Konto bis zum vollständigen Verbrauch des WIR-Restsaldos, längstens jedoch 10 Jahre, bestehen».
Bei einem Negativ-Saldo kann die Bank den Kunden auf Rückzahlung in Schweizer Franken einklagen. Stephan Heiniger, Leiter der saldo-Rechtsberatung, meint zu dieser Bestimmung: «Solch einseitige Vertragsbedingungen dürften unlauter und somit unwirksam sein.»