Der Verlag der NZZ will für Qualitätsjournalismus stehen. Auf seiner Internetseite steht: Man lege «sehr viel Wert darauf, Werbung in Artikelform durch transparente Kennzeichnung auf Anhieb erkennbar zu machen». Eine Durchsicht der NZZ und der «NZZ am Sonntag» zeigt aber: Viele bezahlte Beiträge sind nicht transparent als Werbung ausgewiesen.
Einige Beispiele finden sich in den «Schwerpunkt»-Bünden. Diese sehen aus wie redaktionelle Seiten und behandeln Themen wie Gesundheit, Vorsorge oder Vermögen. Im Schwerpunkt «Steuern sparen» von Anfang Jahr etwa waren sechs von acht Artikeln «Gastbeiträge». Mitarbeiter des Vermögensverwaltungsunternehmens Treuco gaben Tipps, wie man Vermögen in eine Familienstiftung einbringen kann.
Die Leser erfuhren aber nicht, dass der Artikel bezahlt war. Nur im Impressum der Beilage stand in winziger Schrift, Gastbeiträge seien «kommerziell erworbene Inhalte».
NZZ kassiert 20'000 Franken für «Gastbeiträge»
saldo legte die Beilage dem Schweizer Presserat vor. Dieser beurteilt, ob Medien sich an journalistische Grundsätze halten. Sein Urteil: Es sei für die Leser «nicht erkennbar», dass es sich bei den Gastbeiträgen «um Werbung handelt». Bei einer Beschwerde gäbe es «vermutlich eine Rüge». Laut den NZZ-Werbetarifen kosten solche Gastbeiträge rund 20'000 Franken pro Seite. Allein der «Steuer»- Schwerpunkt dürfte dem NZZ-Verlag Einnahmen von über 120'000 Franken eingebracht haben.
Der Verlag wollte auf Anfrage zu den Zahlen nicht Stellung nehmen. Ein anderes NZZ-Werbeformat sind «Verlagsbeilagen». Auch sie sind optisch nicht von redaktionellen Beiträgen unterscheidbar. Die Leser erfahren nur im Kleingedruckten im Impressum, dass sie «komplett von einem Kunden finanziert» sind. Gemäss Presserat ist eine Verlagsbeilage «für Durchschnittsleser nicht als Werbung erkennbar».
Auch politische Propaganda als Journalismus getarnt
Selbst politische Themen werden so behandelt. Die Beilage «Sparen, sparen, sparen» vom 13. September erörtert, wie man den Staat «wieder ins Gleichgewicht bringt». Finanziert sind die Artikel vom Luzerner Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) und vom deutschen Walter-Eucken-Institut (WEI). Das IWP ist keine Einrichtung einer Universität, sondern ein von einer privaten Stiftung finanziertes Institut, hinter dem vermögende Unternehmer wie Alfred Schindler und Michael Pieper stehen. Beide Institute sind bekannt für wirtschaftsfreundliche Ideen.
Neben Autoren dieser Institute schreibt auch der NZZ-Chefökonom mehrere Artikel in dieser Beilage. Dabei dürfen NZZ-Redaktoren laut eigenen Richtlinien «keine bezahlten Inhalte» verfassen. Der Presserat schreibt auf Anfrage: Journalisten sollten keine Werbung machen, «vor allem, wenn sie im selben Themenbereich journalistisch tätig sind». Die «NZZ» und die «NZZ am Sonntag» publizieren gemäss NZZ-Internetseite rund 40 Schwerpunkte und Verlagsbeilagen pro Jahr.
Die «Sonntagszeitung» des Verlags Tamedia druckt ebenfalls regelmässig «Verlagsbeilagen», die nicht als Werbung deklariert sind (saldo 7/2024). Auch Medien des Ringier-Verlags vermischen Werbung und redaktionelle Artikel. Auf der Internetseite der «Schweizer Illustrierten» finden sich Dutzende Artikel mit dem kleinen Hinweis «präsentiert von». Beispiel: Die Grossbank UBS «präsentiert» ein Interview mit der Chefin von UBS Schweiz. Leser erfahren erst, wenn sie weiterklicken, dass das ein bezahlter Beitrag ist.
Auch bei «Blick» online dürfen Firmen Beiträge «präsentieren». In der Regel steht dazu: «Dies ist ein bezahlter Beitrag». Doch manchmal fehlt der Hinweis, etwa bei einem Artikel über den E-Bike-Hersteller E-Framer. «Blick» online publiziert zudem unzureichend deklarierte Werbetexte zu Produkten («K-Tipp» 20/2023).
Journalisten machen laut NZZ «freiwillig» Werbung
Der NZZ-Verlag schreibt saldo, man weise im Impressum von Beilagen aus, dass diese von Kunden finanziert seien. Redaktionsmitglieder würden in Verlagsbeilagen «freiwillig» mitarbeiten. Der Verlag wollte nicht begründen, warum er sich nicht an die Richtlinien des Presserats hält. Der Ringier-Verlag schreibt, bezahlte Inhalte in «Blick» und «Schweizer Illustrierten» online würden «transparent und allgemein verständlich» gekennzeichnet.
Tipp: Hinweise über Artikeln wie «präsentiert von», «im Auftrag von», «Sponsored» oder «Publireportage» weisen darauf hin, dass es sich um bezahlte Beiträge handelt. Bei Beilagen in Zeitungen gibt das Impressum Auskunft. Wurden die Artikel nicht von der Redaktion verfasst, handelt es sich meist um Werbung – auch wenn sie wie normale redaktionelle Beiträge aussehen.