Der Gruyère-Käse hat seinen Namen vom Bezirk Gruyère im Kanton Freiburg. Der Käse kann aber auch aus einer ganz anderen Ecke der Schweiz stammen – zum Beispiel aus Steinen SZ, Alosen ZG oder Gebertingen SG. Es gibt sogar Gruyère-Käsereien im Berner Emmental.
Gemäss Website der Gruyère-Sortenorganisation liegen nur 18 der 165 Käsereien im Freiburger Bezirk Gruyère. Wie viel Käse von den im letzten Jahr total produzierten 29 500 Tonnen von dort stammen, gibt die Organisation nicht bekannt. Käseexperte Rolf Beeler schätzt, dass zwischen 2500 und 3000 Tonnen aus dem Bezirk Gruyère stammen.
Die Switzerland Cheese Marketing AG ist die Vermarkterin der Schweizer Käsehersteller. Sie behauptet auf ihrer Website kühn: «Dieser beliebte Hartkäse wird seit mehreren Hundert Jahren in der Umgebung des Städtchens Gruyères im Kanton Freiburg hergestellt und noch heute nach traditionellem Rezept in den Dorfkäsereien der Westschweiz produziert.»
Jeder Gruyère-Käse trägt die staatlich geschützte Herkunftsbezeichnung «AOP». Die drei Buchstaben stehen für «Appellation d’Origine Protégée». In der Vereinigung AOP-IGP sind die Hersteller der entsprechenden Produkte zusammengeschlossen. Die Bedingungen sind klar: «Das Produkt stammt aus dem geografischen Gebiet, das seinen Namen bestimmt.»
Vom Genfersee bis in die Ostschweiz
Doch es gibt Ausnahmen. Ende der 90er-Jahre reichte die Gruyère-Sortenorganisation beim Bundesamt für Landwirtschaft ein Pflichtenheft ein, in dem die Gebiete, die unter AOP-Schutz fallen, definiert wurden. Das Gebiet erstreckte sich vom Genfersee bis in den Kanton Jura, inklusive «Satelliten» im Rest der Schweiz.
Das Bundesamt segnete das Gesuch 2001 ab. Die Satellitengebiete seien historisch begründet, rechtfertigt das Bundesamt den damaligen Entscheid. Durch Abwanderung sei das Know-how in die Deutschschweiz getragen worden. Und: «Der Nutzen für den Konsumenten beim Kauf eines AOP-Produktes ist die Garantie, dass dieses Produkt aus einem festgelegten geografischen Gebiet stammt, welches durch die historische Entwicklung des Produktes bedingt ist.»
Die Vereinigung AOP-IGP sagt: Die Definition von geografischen Angaben sei weltweit anerkannt. Auch europaweit finde man kleinere und grössere geografische Produktionsgebiete. Parma-schinken zum Beispiel dürfe in ganz Oberitalien hergestellt werden. Tatsächlich darf das Fleisch zur Produktion des «Prosciutto di Parma» laut EU-Regelung aus einem grossen Gebiet in Italien stammen, das sich vom Norden bis an an die Grenze zu Süditalien ausdehnt. Produziert werden darf der Schinken aber nur in einem eng gefassten Kerngebiet rund um die Stadt Parma.
Groteske Folgen der Herkunftsdefinition
Die Gruyère-Sortenorganisation achtet akribisch darauf, dass nicht Milch von ausserhalb des definierten Herkunftsgebiets zu Greyerzerkäse verkäst wird. Das kann zu grotesken Situationen führen. Im vergangenen Jahr reichte ein Käser aus dem Bezirk Gruyère beim Bundesgericht Beschwerde gegen die Sortenorganisation ein. Diese hatte ihm verboten, Milch aus dem Weiler einer Nachbargemeinde zu verwenden. Der Weiler befindet sich kaum 10 Kilometer vom Städtchen Gruyères entfernt – ausserhalb des AOP-Gebietes. Das Bundesgericht befand, die Milch von dort habe zwar dieselben Eigenschaften wie jene aus dem Gruyère-Gebiet. Dennoch habe er das Pflichtenheft verletzt. Ausschlaggebend sei, dass die Milch nicht aus dem AOP-Herkunftsgebiet kam.
Die seltsame Herkunftsdefinition für den Gruyère ist kein Einzelfall. Ähnlich ist es beim Emmentaler oder Appenzeller: Emmentaler-Käsereien sind über das ganze Mittelland verstreut – von der Thunersee- bis in die Bodenseeregion.
Kaum Appenzeller aus dem Appenzell
«Das traditionelle Käserhandwerk gehört im Appenzellerland genauso zum behüteten und gelebten Brauchtum wie die Streichmusik, das Talerschwingen und die Bauernmalerei», propagiert die Switzerland Cheese Marketing AG den Appenzeller Käse.
Allerdings: Zurzeit gibt es keine einzige Käserei im Kanton Appenzell Innerrhoden, die Appenzeller herstellt. Laut Christoph Holenstein, Direktor der Sortenorganisation, stammen 84 Prozent des jährlichen Produktionsvolumens aus den Kantonen St.Gallen (68 Prozent) und Thurgau (16 Prozent). Immerhin: Rund 16 Prozent entfallen auf den Kanton Appenzell Ausserrhoden.