Die Renten der zweiten Säule schrumpfen ständig. Dabei steht im Gesetz, dass die jährliche Altersrente mindestens 6,8 Prozent des bis zur Pensionierung gesparten Altersguthabens betragen muss. Trotzdem zahlen viele Kassen deutlich weniger – beispielsweise nur 5,14 Prozent (saldo 11/2020).
Das ist möglich, weil das Gesetz nur für einen Teil des Altersguthabens gilt: für Pensionskassenbeiträge des jährlichen Lohns zwischen 24 885 und 85 320 Franken. Die meisten Angestellten zahlen aber höhere Prämien in die zweite Säule. Die Pensionskassen können frei entscheiden, wie viel Rente sie für diesen überobligatorischen Prämienanteil auszahlen. Von dieser Freiheit machen sie fleissig Gebrauch.
Das geht so: Der Stiftungsrat jeder Pensionskasse legt jährlich fest, wie hoch der Umwandlungssatz für die Berechnung der Rente des überobligatorischen Altersguthabens ist. Dabei stützen sich die Kassen auf externe Pensionskassenexperten, welche die versicherungstechnischen Risiken einschätzen. Sie müssen zwei Fragen beantworten: Wie lange leben die Versicherten voraussichtlich nach der Pensionierung? Und wie viel Ertrag bringt ihr Altersguthaben wahrscheinlich in dieser Periode? Denn bei der Pensionierung wird das gesparte Alterskapital in eine lebenslange Rente umgewandelt. Das für die Auszahlung dieser Rente benötigte Kapital wird von der Pensionskasse reserviert.
Das Resultat dieser Einschätzung wirkt sich auf die Rente aus: Je höher die prognostizierte Lebenserwartung und je tiefer der angenommene Zinsertrag auf dem Altersguthaben (technischer Zinssatz), desto mehr Geld muss die Kasse für einen Pensionierten auf die Seite legen. Diesen Betrag kann die Kasse reduzieren, indem sie den Umwandlungssatz für die Rente reduziert – beispielsweise von 6,8 auf 5,14 Prozent.
Private Experten bestimmen über die Höhe der Renten
Die rund 1600 Pensionskassen der Schweiz lassen sich von ihrem Experten berechnen, bei welchem Umwandlungssatz sie auf der sicheren Seite sind. In aller Regel halten sich die Stiftungsräte an die Empfehlung des Beauftragten. Deshalb bestimmen in der Schweiz faktisch rund 150 Pensionskassenexperten, wie viel Altersrente die Pensionierten erhalten.
Die Experten haben sich in der schweizerischen Kammer der Pensionskassenexperten zusammengeschlossen. Das ist ein privater Verein. Ein Grossteil seiner Mitglieder arbeitet in Unternehmen, die auf die Beratung von Pensionskassen spezialisiert sind – ähnlich wie Revisoren, die zum Beispiel für Treuhandunternehmen tätig sind.
Jeder Experte empfiehlt seiner Kasse einen bestimmten technischen Zinssatz. Das ist seine Annahme, wie hoch die Rendite auf dem Alterskapital der Versicherten mindestens sein wird. In den vergangenen zehn Jahren fiel dieser durchschnittliche technische Zinssatz von über 3,5 auf rund 2 Prozent.
Der Verein der Experten ermittelt jedes Jahr per 30. September einen aktuellen Referenzzinssatz. Zurzeit liegt er zwischen 1,83 und 2,13 Prozent. Daran halten sich die meisten Experten.
Finanzlage wird schlechter dargestellt, als sie ist
Immer mehr Kassen senken den technischen Zinssatz, um so ihre finanzielle Lage schlechter darzustellen, als sie tatsächlich ist. Der Grund: Wenn der technische Zinssatz sinkt, nimmt der Deckungsgrad ab – also das Verhältnis des Vermögens einer Kasse zu ihren Verpflichtungen. Erfahrungsgemäss nimmt der Deckungsgrad um bis zu 5 Prozentpunkte ab, wenn die Kasse ihren technischen Zins um 0,5 Prozentpunkte senkt. Die Folge: Bei einem tieferen Deckungsgrad sind die Versicherten eher bereit, tiefere Renten zu akzeptieren.
Fakt ist: Die Alterskapitalien der Rentner werden mit einem viel geringeren technischen Zins berechnet, als die Pensionskassen tatsächlich erwirtschaften. Laut der Grossbank UBS erzielten die Pensionskassen im vergangenen Jahr im Durchschnitt auf dem Vermögen der Versicherten eine Rendite von 11,1 Prozent. Die Swisscanto-Vorsorge, die zur Zürcher Kantonalbank gehört, kam in ihrer Studie auf durchschnittlich 10,9 Prozent. In den vergangenen zehn Jahren lag der Durchschnitt bei 4,8 Prozent – also stets weit über dem technischen Zinssatz. Das zeigt, dass den Versicherten viel zu tiefe Kapitalerträge gutgeschrieben werden. Und die Renten zu pessimistisch berechnet wurden.