Als Klägerin tritt vor zwei Richtern und der Gerichtspräsidentin des Kreisgerichts St. Gallen nicht die Konkubinatspartnerin gegen ihren Ex-Freund auf, sondern eine Kollegin von ihr. Diese hat sich die Lohnforderung von 94 000 Franken abtreten lassen und lässt sich von einem Anwalt vertreten. Der beklagte Garagist wird ebenfalls von seinem Anwalt begleitet.
Der Rechtsvertreter des Garagisten stellt die Beziehung so dar: Sein Klient habe die Frau vor acht Jahren kennengelernt. «Sie hatte keine feste Anstellung und bezog Arbeitslosengeld.» Zwischendurch hätte sie Teilzeitjobs ausgeführt und am Abend und an den Wochenenden im Büro geholfen. «Sie kontrollierte einfache Sachen wie Lohnabrechnungen oder die Zeiterfassungsblätter.»
Im Juni 2011 sei die Beziehung in die Brüche gegangen. Die Ex-Partnerin habe danach noch über ein Jahr beim Garagisten gewohnt und weiterhin Büroarbeiten erledigt.
Geld habe sie erst verlangt, nachdem sie ausgezogen sei. Doch der Garagist habe seine ehemalige Partnerin gar nie angestellt. Die Arbeiten seien «als Dienstleistung innerhalb des Konkubinatsverhältnisses» zu werten. Für diese Tätigkeiten habe der Garagist der Frau mehrmals Geld aus dem eigenen Sack gezahlt. «Die Frau handelt aus purer Rache. Sie ist verletzt, weil mein Mandant sie verlassen hat», sagt der Anwalt in Richtung der Gerichtspräsidentin.
Ein Testament mit falschem Geburtsdatum kommt ins Spiel
Der Anwalt der Klägerin widerspricht: «Ich habe neue Beweise, die aufzeigen, dass die Frau für die Firma arbeitete und ihre Arbeit nicht als Dienstleistung innerhalb des Konkubinatsverhältnisses zu werten ist.» Die Ex-Partnerin des Garagisten habe kürzlich zufällig einen Computerstick gefunden. Dort seien sämtliche Sekretariatsarbeiten fein säuberlich aufgelistet.
Er verweist zudem auf das Testament. Darin habe der Garagist seiner damaligen Partnerin einen Lamborghini versprochen. «Das sind alles Beweise dafür, dass der Beklagte seine Ex-Partnerin für ihre Arbeit im Geschäft vergüten wollte», gibt sich der Anwalt überzeugt.
Der Rechtsvertreter des Beklagten schüttelt den Kopf. Dieses Dokument sei gefälscht. Sogar das Geburtsdatum des Garagisten sei im Testament falsch notiert, sagt er leicht genervt.
Die Ex-Partnerin seines Klienten habe nicht zuletzt auch ihre Kollegin hintergangen. Sie habe ihr die angebliche Forderung über 94 000 Franken gegen die Bezahlung von 20 000 Franken abgetreten und ihr dabei wahrscheinlich grosse Hoffnungen gemacht, sie bekäme dann vor Gericht viel mehr Geld zurück. «Sie ist eine grosse Täuscherin.»
Die Klägerin muss tief in die eigene Tasche greifen
Die Gerichtspräsidentin schliesst die Verhandlung und kündigt ein schriftliches Urteil an. Das Urteil liegt schon nach kurzer Zeit im Briefkasten. Die Klage wird abgewiesen. Es sei der Klägerin nicht gelungen, den Nachweis zu erbringen, dass die Frau im Geschäft angestellt war und dort 47 Monate lang gearbeitet hätte.
Für die Kollegin der Ex-Freundin des Garagisten wird dieser Gang vor Gericht eine teure Angelegenheit: Sie muss sich die 20 000 Franken für den Kauf der Forderung ans Bein streichen, dazu kommen Gerichtskosten von 6000 Franken, eine Prozessentschädigung an die Gegenpartei von gut 13 000 Franken sowie ihre eigenen Anwaltskosten.
Prozessieren: Eine Forderung kann man abtreten
Wenn jemand bei einem Gericht eine Klage einreicht, prüfen die Richter unter anderem, ob der Kläger oder die Klägerin aktiv legitimiert ist. Das heisst: Sie prüfen, ob die klägerische Partei beispielsweise überhaupt berechtigt ist, eine Forderungsklage einzureichen.
Dies ist nicht nur dann zulässig, wenn jemand selbst einen Anspruch gegen eine andere Person zu haben glaubt. Eine Forderung kann man auch abtreten. Das geschieht relativ häufig – und zwar gegen Geld. Inkassobüros zum Beispiel kaufen Unternehmen Forderungen gegen jene Kunden ab, die Rechnungen nicht bezahlt haben. Und klagen dann die Forderungen auf eigenes Risiko vor Gericht ein. So können auch Private vorgehen. Ein Vertrag über die Abtretung einer Forderung ist schriftlich abzufassen. Er muss mindestens die Namen der beiden Parteien und des Gläubigers sowie die Höhe der Forderung enthalten.