Die Lehrerin aus dem deutschen Gladbeck staunte, als ein Angestellter des Walliser Skigebietes Quatre Vallées sie mit Fotos konfrontierte. Darauf waren ihr Mann, ein befreundetes Paar und sie selbst abgebildet. Die Fotos stammen von einer beim Drehkreuz des Skilifts montierten Kamera. Sie belegten, dass sie und ihr Mann gegen die Nutzungsbedingungen des Liftbetreibers verstossen hatten: Sie überliessen dem befreundeten Paar mehrmals ihre nicht übertragbaren Skipässe. Beide Paare mussten je 200 Franken Busse zahlen.
Abgleich der Fotos mit der Datenbank
Nur die wenigsten Skifahrer dieses Skigebiets wissen wohl, dass sie beim Passieren eines Drehkreuzes von einem Kameraauge im Pfosten fotografiert werden. Die Bilder landen auf einem Monitor des Liftbetreibers Tele-Nendaz. Ein Mitarbeiter kann sie mit den in der Datenbank hinterlegten Porträtfotos der benützten Skipässe vergleichen. So sollen Ticket-Missbräuche aufgedeckt werden.
saldo-Recherchen zeigen: Mindestens 20 bis 30 Prozent der grossen Schweizer Skigebiete überwachen ihre Kunden regelmässig beim Zutritt durch teils heimlich geschossene Fotos. Bis zu drei Viertel der Schweizer Winter-Bergbahnen benutzen elektronische Zutrittssysteme der Firma Skidata aus Salzburg (A). Bei 30 bis 40 Prozent dieser Skigebiete kommen neuere Skidata-Modelle des Typs «Freemotion.Gate» zum Einsatz (siehe Bild rechts). Laut der Schweizer Skidata-Niederlassung entschieden sich bis zu «40 Prozent der Käufer für die Kamerafunktion». Weitere 20 Prozent der Lift-Betreiber setzen auf Zutrittssysteme des Skidata-Konkurrenten Axess, der ebenfalls aus Salzburg stammt. Bis zu 50 Prozent dieser Kunden wählten ebenfalls die Variante mit Kameras.
Viel schärfere Regeln im Ausland
Hektor Haarkötter, passionierter Skifahrer und Medienprofessor in Köln, stösst sich daran, dass Liftbetreiber ihre Kunden als «potenzielle Straftäter verdächtigen». Er kritisiert den geringen Persönlichkeitsschutz. In der Schweiz gibt es beispielsweise keine Meldepflicht für die Kameras wie in Österreich. Die Kamerabetreiber müssen auch nicht wie in Deutschland die Skifahrer fragen, ob sie sich fotografieren lassen wollen.
Laut Silvia Böhlen, Mitarbeiterin des Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten, müssen die Schweizer Kamerabetreiber ihre Kunden mindestens «vorgängig» darüber informieren, dass sie beim Zutritt zur Bergbahn fotografiert und diese Bilder gespeichert werden. Die Betreiber müssen laut Böhlen bei der Kasse entsprechende Hinweise anbringen sowie ein «gut erkennbares Hinweisschild beim Drehkreuz». Entsprechende Infos auf der Homepage seien «empfehlenswert, aber nicht ausreichend». Die Betreiber dürfen die Fotos zudem nur zur Zutrittskontrolle verwenden und nicht länger speichern, als der Skipass des Kunden gültig sei.
Kunden werden kaum informiert
Die Betreiber tun sich selbst mit diesen geringen Anforderungen schwer: Auf den Websites von Quatre Vallées, Lenk, Flumserberge, Saas Fee und Melchsee-Frutt steht nicht, dass Kunden beim Zutritt fotografiert werden.
Die Bergbahnen Flumserberge AG informiert einzig Jahreskartenkäufer per Infoblatt über die Aufnahmen. Die Lenker Bergbahnen verstecken einen Hinweis darauf im Kleingedruckten der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. An den Drehkreuzen prangen schwer verständliche Aufkleber.
Andrea Betschart von Saas-Fee-Saastal-Tourismus sagt, ihre Kunden würden nicht über die Fotos informiert. Die Bergbahn bewahre sie bis Ende Saison in der Datenbank auf.
Umfrage: Das Sagen die Skigebiete
saldo hat bei 29 Skigebieten nachgefragt, ob sie ihre Kunden beim Zutritt zu Lift oder Bergbahn per Kamera überwachen:
- Hier kommen Kameras zum Einsatz: Adelboden-Lenk, Flumserberge, Melchsee-Frutt und Saas Fee/Saastal.
- Hier müssen Skifahrer laut den Betreibern nicht damit rechnen, abgelichtet zu werden: Arosa/Lenzerheide, Corvatsch, Davos/Klosters, Gstaad, Jungfrau, Laax, Leukerbad, St. Moritz/Engadin, Tschappina und Zermatt.
- Diese Skigebiete gaben keine Auskunft: Aletsch, Alpes Vaudoises, Andermatt-Sedrun, Belalp, Braunwald, Crans-Montana, Engelberg, Hoch-Ybrig, Klewenalp, Meiringen-Hasliberg, Portes du Soleil, Quatre Vallées, Samnaun, San Bernardino und Val d’Anniviers.