Zinsmanipulationen, hinter dem Rücken der Kunden eingesteckte Kickbacks oder der Verkauf von angeblich kapitalgeschützten Produkten der US-Pleitebank Lehman Brothers an Kleinanleger: Die Schweizer Banken haben in den letzten zehn Jahren ihre Kunden massiv geschädigt. Damit die Rechte der Anleger gestärkt werden, hat der Bundesrat ein neues Finanzdienstleistungsgesetz ausgearbeitet.
So soll der verbesserte Kundenschutz aussehen: Banken dürfen Privatkunden nur noch Anlageprodukte empfehlen, die deren finanziellen Verhältnissen und Finanzkenntnissen angemessen sind. Die Kunden sollen zu den angebotenen Anlageprodukten leicht verständliche Informationen erhalten. Die Banken müssen die Beratung und die vereinbarten Leistungen dokumentieren und den Kunden eine Kopie dieser Protokolle aushändigen. Neu sollen sie auch alle Interessenbindungen und Kickbacks offenlegen.
Bei Verlusten soll die Position der Kleinanleger gegenüber den mächtigen Banken gestärkt werden. Im Streitfall sollen die Finanzinstitute beweisen, dass sie ihrer gesetzlichen Informations- und Aufklärungspflicht nachgekommen sind. Für die Durchsetzung der Rechtsansprüche schlägt der Bundesrat die Schaffung eines Schiedsgerichts oder eines Prozesskostenfonds vor.
Finanzbranche sträubt sich
Der Gesetzesvorschlag hat bei der Finanzbranche grossen Widerstand ausgelöst: Für den Verband schweizerischer Vermögensverwalter ist die Gesetzesvorlage «ein bürokratisches Monstrum». Die neuen Vorschriften würden die Finanzdienstleistungen vor allem verteuern, die Kunden aber kaum zusätzlich schützen.
Die Bankiervereinigung befürwortet, dass Anleger «zuverlässig informiert» werden, lehnt aber eine angebliche «Bevormundung» der Kunden ab. Sie ist auch gegen eine Beweislastumkehr oder eine Prozesskostenfinanzierung – kurz gegen «eine Überregulierung».
Davon kann keine Rede sein. Viele Regeln, die der Bundesrat vorschlägt, sind in den EU-Staaten bereits seit November 2007 in Kraft. Im Juni 2014 hat die EU den Anlegerschutz gar noch verschärft. Beispiel: Anlageberater müssen ihren Kunden eine Zusammenfassung des Beratungsgesprächs aushändigen. Die 28 Mitgliedstaaten haben bis Ende 2016 Zeit, die neue Richtlinie umzusetzen. Die EU-Richtlinie setzt die Mindestanforderungen fest. Die einzelnen Länder haben die Möglichkeit, in ihren Gesetzen darüber hinauszugehen.
«Schutzniveau wäre dann gleichwertig»
Laut Roland Meier vom eidgenössischen Finanzdepartement könnte die Schweiz mit den neuen EU-Regelungen gleichziehen, wenn das Finanzdienstleistungsgesetz wie vom Bundesrat vorgeschlagen verwirklicht wird. «Das Schutzniveau für Privatanleger wäre dann gleichwertig.»
Wahrscheinlicher ist aber, dass National- und Ständerat das Gesetz bei der Behandlung im kommenden Jahr verwässern und abschwächen. Denn die Bankenlobby ist im Parlament weit grösser als die Konsumentenvertretung. Die absehbare Folge: Schweizer Anleger wären rechtlich weiterhin schlechtergestellt als jene in den Ländern der Europäischen Union.
Das ist kein Ausnahmefall. In vielen Bereichen sind Konsumenten in der EU besser geschützt. saldo präsentiert auf dieser Doppelseite einige der Unterschiede zwischen der EU und der Schweiz.
Sparerschutz
Geht eine Bank Konkurs, sind pro Bankkunde Spareinlagen von maximal 100 000 Franken abgesichert. Doch dieser Einlegerschutz ist löchrig. Denn im Konkursfall eines oder mehrerer Finanzinstitute müssten die übriggebliebenen Banken das fehlende Geld einschiessen (saldo 9/14). Ob die finanziellen Mittel im Konkursfall aufgebracht werden können, ist aber fraglich, zumal eine solche Regelung auch andere Banken in die Krise stürzen kann.
In den EU-Ländern müssen die Banken vorgängig einen Fonds äufnen. Nur so kann gewährleistet werden, dass im Krisenfall sofort Geld bereitsteht für die Auszahlung an die Kleinsparer. Abgesichert ist in der EU auch ein höheres Sparguthaben, nämlich umgerechnet 120 000 Franken.
Roaming-Gebühren
Die horrenden Roaming-Gebühren, die Schweizer Konsumenten für die Nutzung ihres Handys im Ausland zahlen müssen, sind seit Jahren ein Ärgernis. Im Bundeshaus ist das Thema Roaming ein Dauerbrenner, passiert ist aber bis heute nichts.
Die EU hat die Preisobergrenzen fürs Roaming mehrmals gesenkt. EU-Bürger zahlen für SMS, Telefon oder Datenpakete massiv weniger als Schweizer.
Fahrpreisentschädigung
In der EU haben Bahnreisende, deren Zug Verspätung hat, Anrecht auf eine Fahrpreisentschädigung. Beträgt die Verspätung zwischen einer und zwei Stunden, erhalten die Reisenden einen Viertel des Billettpreises zurückerstattet, ab zwei Stunden die Hälfte. Die Ursache der Verspätung spielt dabei keine Rolle. Zudem sind die Eisenbahnunternehmen verpflichtet, ab einer Verspätung von 60 Minuten den Fahrgästen Mahlzeiten und Erfrischungen anzubieten. Wird eine Übernachtung erforderlich, muss das Eisenbahnunternehmen das Hotel und die Fahrt dahin zahlen.
Es besteht kein Anspruch auf Entschädigung bei Verspätungen. Nur wenn Kunden ihre letzten Anschlüsse verpassen, müssen die SBB , die Taxi- oder Hotelkosten bis 150 Franken übernehmen.
Gesetzliche Garantie
Seit 1. Januar 2013 gilt in der Schweiz bei Käufen eine zweijährige Garantiefrist. Allerdings ist das nicht viel wert, denn die Verkäufer können diese Garantie im Vertrag ausschliessen.
In der EU sind die Kunden bessergestellt: Verkäufer können hier die gesetzlichen Garantieansprüche der Kunden nicht wegbedingen.
Widerrufsrecht bei Internetkäufen
Wer via Internet etwas kauft, kann die Waren nicht vorgängig prüfen. In der EU gilt deshalb ein 14-tägiges Widerrufsrecht für im Internet gekaufte Waren und auch für gewisse Dienstleistungen. Die Versandhändler sind verpflichtet, den Kaufpreis spätestens 14 Tage nach Erhalt des Widerrufs zu erstatten. Manche übernehmen – freiwillig – sogar die Rücksendekosten.
In der Schweiz hingegen hat der Nationalrat erst kürzlich die Einführung eines Widerrufsrechts bei Internetkäufen abgelehnt. Immerhin: Manche Schweizer Internethändler gewähren aus eigenem Antrieb ein Rückgaberecht (siehe «K-Tipp» 17/14).