Der ehemalige Banker und Kunstliebhaber wirkt gelassen, als er mit seinem Anwalt das Gebäude des Kantonsgerichts in Glarus betritt. Vor dem Verhandlungssaal wartet bereits der Beklagte. Er würdigt den Kläger keines Blicks und diskutiert angeregt mit seinem Anwalt.
Der Einzelrichter eröffnet die Verhandlung. Der Anwalt des Klägers begründet die Forderung: Sein Mandant hätte den Beklagten im Mai 2017 auf einem Flohmarkt in Zürich kennengelernt. Danach hätten sie sich wiederholt bei seinem Klienten getroffen und auch Ausflüge unternommen. Dabei sprachen sie nicht nur über Geschäftliches, sondern auch über Privates. «Mein Klient lernte auch die Familie des Beklagten kennen.» Für den Anwalt ist deshalb klar: «Es bestand ein Vertrauensverhältnis.»
Eines der Gemälde soll nur 1500 statt 13 000 Franken wert sein
Der Beklagte sei ein erfahrener Kunstkenner, fährt der Anwalt fort. Der Kläger dagegen habe von Kunst nur wenig Ahnung. «Das erzählte er dem Beklagten bereits beim ersten Treffen. Und auch, dass er sich eine Sammlung qualitativ hochwertiger Bilder anlegen möchte.» Daraufhin habe der Beklagte seinem Mandanten zwischen Mai 2017 und Januar 2018 insgesamt 21 Bilder für total 66 940 Franken verkauft. Aus Dankbarkeit habe der Banker dem Kunstkenner über 100 Bilder geschenkt, die er selbst besass.
Der Kläger erfuhr laut seinem Anwalt Monate nach dem Kauf, dass das teuerste Bild, das er für 13 000 Franken gekauft habe, bloss einen Wert von 1500 Franken hatte. Sein Mandant habe daher auch die anderen gekauften Bilder schätzen lassen. «Es stellte sich heraus, dass nur ein Gemälde von einem Schweizer Auktionshaus zur Versteigerung akzeptiert würde – mit einem Schätzwert, der einem Bruchteil des Verkaufspreises entspricht.» Der Kunstkenner habe also ausgenutzt, dass er über viel mehr Kunstwissen verfügte als der Ex-Banker. «Mein Mandant wurde getäuscht. Der Beklagte schuldet ihm deshalb mindestens 20 000 Franken.»
Nach dem «Rembrandt unter den Schrottgemälden» gesucht
Der Anwalt des Verkäufers weist die Vorwürfe zurück: «Es stimmt nicht, dass der Kläger sich nicht im Kunsthandel auskennt. Das zeigt sich etwa darin, dass er meinem Mandanten die 100 unbedeutendsten Bilder seiner Sammlung schenkte.» Es stimme auch nicht, dass die Parteien befreundet gewesen seien. Deren Verhältnis sei «rein geschäftlicher Natur» gewesen. Beim Kläger handle es sich um einen ehemaligen Investmentbanker, das Kaufen und Verkaufen liege ihm im Blut. Der Kläger habe wohl nach dem schnellen Geld gesucht, «nach dem Rembrandt unter den Schrottgemälden».
Auch sei sein Mandant mit der Schätzung des Auktionshauses nicht einverstanden, sagt der Anwalt: «Er ist davon überzeugt, dass der Verkaufspreis von 13 000 Franken dem Marktwert entspricht.»
Der Kantonsrichter fragt den Beklagten, ob er an einem Vergleich interessiert sei. Das ist nicht der Fall. Einige Wochen später folgt der Gerichtsentscheid: Die Klage wird abgewiesen, eine absichtliche Täuschung sei nicht nachgewiesen. «Für die Bilder gibt es keinen eindeutig bezifferbaren Marktwert.» Folglich habe der Beklagte den Kläger nicht täuschen können. Der Kläger muss eine Gerichtsgebühr von 4000 Franken und dem Beklagten eine Prozessentschädigung von 6000 Franken bezahlen.
Kläger müssen Behauptungen beweisen können
Wer einen Vertrag vor Gericht anfechten will, weil er absichtlich getäuscht worden ist, muss die bewusste Irreführung nachweisen. Das ist meist sehr schwierig. Denn wer jemanden täuscht, hält dies kaum je schriftlich fest. Und an Zeugen fehlt es in der Regel ebenfalls, weil Verträge normalerweise unter vier Augen geschlossen werden. Deshalb sind solche Klagen selten – und häufig erfolglos. Eine absichtliche Täuschung kann entweder durch die Vorspiegelung falscher Tatsachen oder das Verschweigen vorhandener Tatsachen begangen werden. Folge einer absichtlichen Täuschung ist, dass der Vertrag für den Getäuschten unverbindlich ist, wenn er den Vertrag innerhalb eines Jahres anfechtet. Sonst gilt dieser als genehmigt.