Der motorisierte Verkehr auf der Strasse trägt 89 Prozent seiner Kosten selbst, der Luftverkehr 83 Prozent, bei Velofahrern und Fussgänger sind es 81 Prozent. Und beim Schienenverkehr zahlen die Bahnfahrer und Gütertransporteure angeblich bloss 49 Prozent der Kosten. Das behauptet die Studie «Kosten und Finanzierung des Verkehrs im Jahr 2010». Sie wurde Mitte April vom Bundesamt für Statistik veröffentlicht.
Wichtig: Hinter diesen Zahlen steht keine betriebswirtschaftliche Rechnung, sondern eine volkswirtschaftliche. Das heisst: Auch wenn beispielsweise die SBB im Jahr 2010 in der Konzernrechnung einen Gewinn von 298 Millionen Franken erwirtschafteten, kann der Schienenverkehr volkswirtschaftlich betrachtet trotzdem defizitär sein. Denn gerechnet wird nicht nur mit Infrastruktur- und Betriebskosten, sondern auch mit Umwelt- und Gesundheitsschäden.
Andererseits gehen die Verfasser der Studie von Annahmen aus, die irritieren. Einige Beispiele:
Fussgänger
Wenn für Fussgänger Trottoirs und Unterführungen gebaut werden müssen, geht das in der Rechnung zulasten der Fussgänger. Obwohl es beides nur braucht, um die Fussgänger vor dem Autoverkehr zu schützen.
Flugverkehr
Die Zivilluftfahrt gehört zu den grössten Luftverschmutzern und der Fluglärm führt bei Liegenschaften zu Wertverlusten. Doch der Luftverkehr verursacht laut Studienautoren mit 957 Millionen Franken relativ geringe Gesundheits- und Umweltkosten. Das sind nur 235 Millionen Franken mehr als der Schienenverkehr.
Der Grund: Die Statistiker verwenden beim Flugverkehr das Halbstreckenprinzip (saldo 13/14). Bei Auslandflügen wird nur die Hälfte der Kosten für Klimaeffekte, Bodenverunreinigung, Gesundheitsbeeinträchtigung, Lärm und Luftverschmutzung angerechnet. Überflüge werden gar nicht berücksichtigt.
Die Flughafentaxen und Landegebühren decken die Kosten des Flughafens für den Flugbetrieb nur zu rund 75 Prozent (saldo 17/14). Die Finanzlücke des Flugverkehrs verschwindet in der Rechnung aber dank der Nebenkosten aus den Mieteinnahmen der Flughafengeschäfte. Beim Schienenverkehr rechnet das Bundesamt hingegen die hohen Gewinne der SBB aus den Bahnhofimmobilien nicht zu den Einnahmen des Personenverkehrs – sondern stopft damit die Finanzierungslücke beim Güterverkehr. Begründung: Der Personenverkehr sei kostendeckend.
Schienenverkehr
Die Erstellungskosten von Infrastrukturen für die Bahn werden laut Bundesamt zu rund 85 Prozent dem Personenverkehr angelastet. Der Güterverkehr muss nur rund 15 Prozent bezahlen. Das gilt auch für die Neat-Tunnel. Die Bahnfahrer müssen also in der Statistik Beiträge für die Neat-Tunnel bezahlen, die man nur wegen der Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene gebaut hat (saldo 9/11).
Der Bericht des Bundesamts rechnet beim Schienenverkehr zudem mit Kosten, die gar nicht entstehen. So wird eine fiktive Verzinsung des zum Beispiel in die Neat investierten Kapitals zu 3,3 Prozent den Kosten des Schienenverkehrs zugerechnet. Für Investitionen in Autobahnen und die übrige Strasseninfrastruktur fehlt eine solche fiktive Verzinsung.
Benzin
Bei den Leistungen der öffentlichen Hand werden die Ausgaben beziffert, ohne die Einnahmen aus dem Verkehr davon abzuziehen. Stichwort Mehrwertsteuern: Angesichts von Verkehrskosten in der errechneten Höhe von 95 Milliarden Franken machen die Einnahmen des Bundes bei Autokäufen, Bahntickets, Benzin etc. mehrere Milliarden Franken aus.
Fazit: Die Studie kann die Frage nicht beantworten, die viele interessieren würde: Wer zahlt wie viel an die hohen Verkehrskosten.