Die Klägerin ist an der Verhandlung am Bezirksgericht Bülach ZH nicht anwesend. Ihr Anwalt vertritt sie und begründet die Klage. «Meine Mandantin schloss per 1. Juni 2017 ein Mobilfunk- und Internetabo für 69 Franken pro Monat ab», beginnt er. Bereits die erste Rechnung sei falsch gewesen, nämlich 74 statt 69 Franken. Und die Aufschaltgebühr habe 150 Franken statt wie abgemacht 99 Franken betragen. Zudem sei ihr auch der Mai in Rechnung gestellt worden, obwohl sie damals noch keine Leistungen bezogen habe. Die Kundin, eine Therapeutin, habe die Rechnung deshalb nicht bezahlt, sondern telefonisch beim Kundendienst reklamiert. «Darauf wurde ihr zugesichert, dass die Rechnung korrigiert wird. Es folgte sogar eine Entschuldigung.» Doch zwei Wochen später sei eine Mahnung von 25 Franken in ihren Briefkasten geflattert. Sie habe die Rechnung nicht bezahlt.
Kundendienst versprach Abhilfe, sperrte aber den Anschluss
Über Monate sei das so weitergegangen: Die Therapeutin erhielt falsche Abrechnungen und Mahnungen. «Immer wieder reklamierte sie telefonisch. Und immer versprach ein Mitarbeiter, man werde sich um die falschen Rechnungen kümmern», sagt der Anwalt. Ende August 2017 habe ihr die Telecomfirma dann Telefon und Internet gesperrt. Zwei Tage später bezahlte sie die Ausstände. Dann sei die Sperre aufgehoben worden.
Die zwei Tage ohne Internet und Telefon hatten laut Anwalt auf die Massagepraxis der Klägerin «katastrophale Auswirkungen». Das IT-System sei zusammengebrochen. «Externe IT-Dienstleistungen kosteten über 750 Franken.» Überdies sei ein Therapeut zwei Tage lang damit beschäftigt gewesen, die administrative Arbeit manuell zu bewältigen. Deshalb habe sie 2200 Franken mehr Lohn zahlen müssen. Die Praxis sei zwei Tage telefonisch unerreichbar gewesen. «Eine Stammkundin ging zur Konkurrenz.» Der Anwalt fordert knapp 3000 Franken Schadenersatz.
Das Telecomunternehmen wird vor Gericht von einem jungen Sachbearbeiter und einer Kollegin aus der Rechtsabteilung vertreten. Sie weisen den Richter darauf hin, dass die Therapeutin ein Privatkundenabo abschloss, das sie auch geschäftlich benutzte. «Es war nie die Rede von einer Therapiepraxis», sagt die Juristin. Das Unternehmen habe bei Privatabos das Recht, den Anschluss zu sperren, wenn der Kunde über längere Zeit mit Zahlungen im Verzug sei und nicht auf Mahnungen reagiere.
Telecomfirma beruft sich auf das Kleingedruckte
Der Sachbearbeiter ergänzte, das Unternehmen hafte laut seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei solchen Abos nicht für Schäden wie entgangene Gewinne, Einkommenseinbussen oder einen Reputationsverlust.
Der Richter legt den Parteien einen Vergleich nahe. «Sitzen Sie doch kurz zusammen und versuchen Sie sich auf eine Summe zu einigen», sagt er. «Hier ist vieles falsch gelaufen. Beide Seiten blieben über Monate stur, statt aufeinander zuzugehen. Nutzen Sie die Chance, das jetzt zu tun.»
Die Parteien verhandeln in einem Nebenzimmer über einen Kompromiss. Am Ende finden sie sich in der Mitte: Das Telecomunternehmen zahlt der Therapeutin 1500 Franken – also die Hälfte ihrer Forderung. Die Gerichtskosten von 600 Franken teilen die Parteien ebenfalls hälftig.
Prozessieren ist bei kleinen Beträgen meist zu teuer
3000 Franken per Klage gefordert und schliesslich 1500 Franken erhalten – das sieht auf den ersten Blick nach einem Erfolg aus. Auf den zweiten ist es für die Klägerin aber ein Verlustgeschäft: 300 Franken gehen an das Gericht, und ein sehr günstiger Anwalt kostet mindestens 200 Franken pro Stunde. Die Besprechung des Sachverhalts, das Aktenstudium, die Prozessvorbereitung und die Verhandlung machen in jedem Fall mehr als fünf Stunden aus. Deshalb sollte man bei Streitigkeiten über wenige Tausend Franken spätestens bei der Schlichtungsstelle eine Lösung suchen.