Seit Jahren bauen die SBB an den Bahnhöfen die bedienten Schalter ab. 2002 konnten Kunden noch an 403 Orten am Schalter ein Billett oder Abo beziehen – zurzeit sind es noch 222 Verkaufspunkte. Diese Zahl wird sich nochmals reduzieren: Ab Ende 2017 vertreiben die SBB keine Billette mehr über Dritte. 52 Verkaufsstellen müssen dichtmachen. Die SBB sparen nach eigenen Angaben
5 Millionen Franken an Provisionen, die sie den Verkaufsstellen für die verkauften Billette gezahlt haben.
Der Entscheid der SBB trifft vor allem die elf privaten Stationshalter. Sie können ohne Billettverkauf nicht überleben. Rund 30 Angestellte verlieren ihre Stelle. Pikant: Trotz Internet und Billettautomaten nahmen ihre Umsätze in den letzten Jahren zu.
Die SBB senkten die Provision für ein Generalabonnement vor drei Jahren von 9 Prozent auf pauschal 50 Franken (saldo 1/14). Trotzdem gelang es Stationshalter Marcel Gsell im Bahnhof Elgg ZH, schwarze Zahlen zu schreiben. Den SBB-Entscheid findet Gsell kurzsichtig. Sie sparten zwar 5 Millionen Franken, müssten aber den eigenen Vertrieb aufrüsten. Er ist überzeugt: Private Stationshalter arbeiten «besser und billiger» als die SBB.
«Es besteht ein grosses Bedürfnis nach Beratung»
Regula Fischer, Stationshalterin in Zürich-Wipkingen, macht in ihrem Stadtbahnhof einen Umsatz von über 5 Millionen Franken jährlich. Sie stellt fest: «Es besteht ein grosses Bedürfnis nach Beratung. Bei Abo- oder Billettproblemen wollen die Leute ein Gesicht sehen, eine Ansprechperson haben.»
Auch Marius Christ, Verantwortlicher der Station Nottwil LU, kann sich über mangelnde Nachfrage nicht beklagen: Der Bahnhof erzielt einen Umsatz von 1,7 Millionen Franken jährlich. Davon entfallen 1,5 Millionen Franken auf den Schalter und nur 200 000 Franken auf den Billettautomaten. 11 000 Kundenkontakte zählte Christ letztes Jahr. Dennoch macht der Bahnhof ein jährliches Defizit von 25 000 Franken. Dieses teilen die Gemeinde, das Seminarhotel «Sempachersee» und das Paraplegikerzentrum Nottwil untereinander auf. In einer Umfrage sprachen sich 87 Prozent der Einwohner für den Fortbestand des bedienten Schalters aus.
«Wir sind klein, aber wir versuchen alles»
Laut Sprecher Christian Ginsig nehmen die SBB das Bedürfnis nach Beratung ernst, konzentrierten sich aber auf eigene Schalter an grösseren Standorten. Schützenhilfe erhalten sie von der zuständigen Bundesrätin Doris Leuthard. Sie sagte im Nationalrat, der Entscheid sei «richtig und auch umzusetzen».
Die Stationshalter geben sich kämpferisch. Marius Christ sagt: «Wir sind klein, wir sind wenige, aber wir versuchen alles.» Erwartungen setzen die Stationshalter in Jakob Büchler. Er ist Präsident der Interessengemeinschaft Stationshalter und Nationalrat (CVP, SG). «Für die SBB ist Service public offenbar ein Fremdwort geworden», sagt Büchler. Der Unmut im Parlament sei «stark gewachsen».