Es steht schwarz auf weiss in einem vertraulichen Bericht des Bundesamts für Verkehr vom April 2019: 100 Millionen Franken geben die SBB jedes Jahr für Marketing und Kommunikation aus. Öffentlich machte das der «Sonntags-Blick». Die Werbeabteilung des Monopolbetriebs besteht aus nahezu 125 Vollzeitstellen. So gibt es zum Beispiel im Bereich «Markenerlebnis» 7,5 Vollzeitstellen, im Bereich «Crossmedia» sind es 7,2 Vollzeitstellen. Die SBB-Angestellten produzieren aufwendige Werbespots für die Internetplattform Youtube oder statten Pendler zu Marktforschungszwecken mit Pulsmessern aus, um herauszufinden, was sie unterwegs stresst. In Internetbeiträgen berichten SBB-Mitarbeiter auch über Themen wie das Wandern oder die Street Parade.
100 Millionen Franken sind auch für einen Grossbetrieb wie die SBB ein enormer Betrag. Zum Vergleich: Der Ersatz des Einklemmschutzes bei fast 2000 Wagentüren kostet die SBB nach eigenen Angaben vier Jahre lang nur je 5 bis 7 Millionen Franken. Diese Massnahme hatte das Unternehmen angekündigt, nachdem im August ein Zugchef bei der Abfahrt vom Bahnhof Baden AG in einer Tür eingeklemmt, mitgeschleift und getötet worden war.
Während die SBB den Werbebereich ausbaute, wird beim Kundenservice immer mehr gespart. Zahlen der SBB selbst und der Eisenbahnergewerkschaft SEV zeigen: Das Zugpersonal wurde in den vergangenen fünf Jahren um 194 Vollzeitstellen reduziert. Dies entspricht einem Rückgang von fast einem Zehntel. Sogar noch etwas grösser war prozentual der Abbau bei den Schalterangestellten, deren Vollzeitstellen sich um 186 verringerten. Gekürzt wurde auch beim Reinigungspersonal, das um 18 von 875 Stellen reduziert wurde. Dies trotz immer mehr Reisenden. «Dieser Abbau muss endlich aufhören», kommentiert der SEV-Gewerkschaftssekretär Jürg Hurni.
Hohe Löhne beim Topkader im Bereich Kommunikation
Das Bundesamt für Verkehr kritisiert im 24-seitigen Revisionsbericht das Ausmass der Werbeaktivitäten der SBB. Die Revisoren werfen die Frage auf, ob die Ausgaben von 100 Millionen Franken notwendig seien und mit dem Gebot einer effizienten Verwendung der Bundessubventionen in Einklang stehen. Angegeben werden im Papier auch die Lohnkosten des Topkaders im Bereich «Kommunikation/Public Relations» des Personenverkehrs. Sie betragen im Durchschnitt rund 422 000 Franken pro Person und Jahr. Man «wundere sich», heisst es, über solche Löhne.
In einer Stellungnahme der SBB, die im Bericht abgedruckt ist, wehrt sich das Unternehmen gegen den Eindruck, dass die Kommunikation «überdimensioniert» sei. Im Vergleich zu anderen Unternehmen seien die Ausgaben moderat. Zu den Lohnkosten schreiben die SBB, es handle sich nicht um durchschnittliche Bruttolöhne, sondern um Lohnkosten, die auch Sozialleistungen, Lohnnebenleistungen und Weiterbildungskosten enthalten würden.
Beim Zugpersonal haben die SBB bewusst abgebaut. Sprecher Reto Schärli sagt auf Anfrage, heute habe es auf den Regio-Express-Zügen keine Zugbegleiter mehr. Die Reduktion bei den Schalterangestellten hingegen sei kein Serviceabbau, sondern hänge mit dem Ausstieg der SBB aus dem Reisebürogeschäft zusammen. Die Verkleinerung des Putzpersonals erklärt der Sprecher mit der Auslagerung des Winterdiensts an den Bahnhöfen an Private.