SBB: Früher Schalterschluss verärgert Bahnkunden
Die SBB schliessen immer mehr Schalter. Pech für Reisende, die kein Billett haben. Viele ärgern sich. Das zeigt eine saldo-Stichprobe im Hauptbahnhof Zürich.
Inhalt
saldo 12/2010
20.06.2010
Letzte Aktualisierung:
22.06.2010
Jonas Arnold
Höhere Preise, weniger Service – so lautet offenbar das Konzept der SBB-Chefs. Nicht einmal wer zahlen will, ist mehr gern gesehen: Die Schalterstellen der SBB schliessen immer früher. Letztes Jahr beispielsweise in den Bahnhöfen von Schaffhausen und Rheinfelden.
Seit 1. Mai 2010 schliessen auch die Schalter am grössten Bahnhof der Schweiz, dem Hauptbahnhof Zürich, schon um 22.15 Uhr (bisher 23.15 Uhr). Nach diesem Zeitpunkt verlassen 118 Züge d...
Höhere Preise, weniger Service – so lautet offenbar das Konzept der SBB-Chefs. Nicht einmal wer zahlen will, ist mehr gern gesehen: Die Schalterstellen der SBB schliessen immer früher. Letztes Jahr beispielsweise in den Bahnhöfen von Schaffhausen und Rheinfelden.
Seit 1. Mai 2010 schliessen auch die Schalter am grössten Bahnhof der Schweiz, dem Hauptbahnhof Zürich, schon um 22.15 Uhr (bisher 23.15 Uhr). Nach diesem Zeitpunkt verlassen 118 Züge den Bahnhof, davon sind 33 Interregio-, Intercity- oder Eurocity-Züge. Begründung der SBB: Zu Randzeiten habe es kaum Leute, die Billette am Schalter lösen wollen.
Das stimmt nicht: saldo hat an drei Abenden unter der Woche im HB Zürich nachgezählt. Das Resultat der Stichprobe: Die Nachfrage ist durchaus da. Im Schnitt 28 Personen wollten zwischen 22.15 und 23.15 Uhr am Schalter ein Billett lösen.
Billette ins Ausland gibt es am Automaten nicht
Das Bild ist immer dasselbe: Die Leute rütteln zunächst ungläubig an den Türen. Die meisten drehen daraufhin ab und gehen zu einem der Billettautomaten. Das ist im Sinn der SBB. Für sie ist es billiger, wenn die Kunden ihre Billette am Automaten selbst lösen.
Doch die Automaten helfen den Kunden häufig nicht weiter. So wollte der Österreicher Dominik Rustenberger am Freitagabend ein Ticket nach Innsbruck lösen. Billette ins Ausland gibt es am Automaten aber nicht. Er muss deshalb das Billett im Zug lösen. Dafür verlangen die SBB einen happigen Aufpreis von 10 Franken.
Auch Hannes Bergmann aus dem Südtirol legt aufgrund des geschlossenen Schalters drauf: «Ich hatte einen falschen Zug genommen und wollte das Ticket umtauschen. Jetzt muss ich im Zug tauschen, das kostet mich 10 Franken statt Fr. 2.50.»
Keine Auskunft über Fahrpläne und Routen
Rosemarie Kaufmann aus Dornach SO steht ebenfalls vor geschlossener Tür: «Ich wollte eine Mehrfahrtenkarte lösen.» Urs Klein aus Uster hätte ein Ticket nach Maloja gebraucht: «Zwar erst für morgen. Ich brauche aber noch eine Auskunft zur Strecke.»
Auch Michael Bay aus Orlando USA staunt über den fehlenden Service: «Ich brauche unbedingt ein Ticket zum Flughafen. Und wollte wissen, wie ich am schnellsten dorthin komme. In Orlando sind die Schalter bis Mitternacht offen.»
Er ist nicht der Einzige, der sich über die fehlende Information beklagt. Nach 22.15 Uhr gibt es am HB Zürich keine Anlaufstelle mehr für Auskünfte rund um Fahrpläne, Reiserouten oder sonstige Fragen. Für Touristen ist das besonders ärgerlich.
Beispielsweise für die Polin Michaela Rudzinski Sie ist aus Warschau angekommen und möchte weiter nach Heerbrugg im St. Galler Rheintal. Eine Passantin hilft ihr dabei, das Ticket am Automaten zu lösen. Doch bei der Frage nach dem richtigen Zug ist auch sie überfragt. Die Polin ist verärgert: «Auf den Fahrplänen im Bahnhof sehe ich überhaupt nicht, welchen Zug ich nehmen muss. Und der Informationsschalter ist geschlossen.»
SBB verweisen auf kostenpflichtige Hotline
Die SBB sehen kein Problem: Der Verkauf in Randzeiten für simple Billette sei «kein wirklicher Mehrwert für die Kunden», so Sprecher Reto Kormann gegenüber saldo. Und Reisenden, die ausserhalb der Schalteröffnungszeiten Fragen zu Abfahrtszeiten oder Fahrplänen brauchen, empfiehlt er die Telefonnummer des Railservice: 0900 300 300. Dort erhalte man rund um die Uhr die gewünschten Informationen. Doch das ist eine teure Auskunft – der Anruf kostet Fr. 1.19 pro Minute.
Besser macht es die Deutsche Bahn. Am Hauptbahnhof in Berlin ist immerhin ein Auskunftsschalter rund um die Uhr geöffnet. Laut der Deutschen Bahn würden die Angestellten auch beim Lösen am Automaten helfen. Die Bahnhöfe von Zürich und Berlin sind vergleichbar: Beide zählen rund 300'000 Reisende pro Tag.