SBB-Bauten: Milliarden investiert, kaum Zeitgewinn für Passagiere
Die Bauprojekte der SBB kosten die Steuerzahler viel Geld. Auswertungen von saldo zeigen: Schneller wurden die Züge deshalb nicht.
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saldo 12/2024
26.06.2024
Letzte Aktualisierung:
05.07.2024
Petar Marjanović
Die Schweiz investierte in den letzten 30 Jahren über 35 Milliarden Franken ins Schienennetz – um Bahnverbindungen zu verbessern und Fahrzeiten zu verkürzen. Doch von wenigen Paradestrecken abgesehen, verkehren die Züge heute nicht überall schneller als noch vor 30 Jahren. Das zeigt eine saldo-Stichprobe:
- Luzern–Zürich: Weil die Strecke am linken Zürichseeufer stark ausgelastet war, bauten die SBB zwischen Thalwil un...
Die Schweiz investierte in den letzten 30 Jahren über 35 Milliarden Franken ins Schienennetz – um Bahnverbindungen zu verbessern und Fahrzeiten zu verkürzen. Doch von wenigen Paradestrecken abgesehen, verkehren die Züge heute nicht überall schneller als noch vor 30 Jahren. Das zeigt eine saldo-Stichprobe:
- Luzern–Zürich: Weil die Strecke am linken Zürichseeufer stark ausgelastet war, bauten die SBB zwischen Thalwil und Zürich für 945 Millionen Franken den Zimmerberg-Basistunnel. Das brachte Reisenden aus Luzern zwar acht Minuten schnellere Verbindungen nach Zürich. Für Reisende aus dem Glarnerland oder aus dem St. Galler Oberland verlängerte sich die Reisezeit jedoch: Die schnellste Verbindung zwischen Ziegelbrücke und Zürich dauert neu 43 statt 41 Minuten.
- Zürich–Basel: Im Jahr 2000 nahmen die SBB den 387 Millionen Franken teuren Adlertunnel zwischen Muttenz BL und Liestal BL in Betrieb. Heute beträgt die Reisezeit auf dieser Strecke 54 statt 52 Minuten.
- Schaffhausen–Zürich: 149 Millionen Franken kostete der Bau einer Doppelspur zwischen Eglisau ZH und Neuhausen SH. Die Fahrzeit blieb seit 1994 unverändert bei 39 Minuten. In der Westschweiz werden Passagiere laut Fahrplanentwurf nächstes Jahr auf mehreren Routen länger unterwegs sein als vor 30 Jahren – obwohl für rund 640 Millionen Franken Bahnstrecken «für höhere Geschwindigkeiten» ausgebaut wurden. Schon heute sind die Reisenden länger unterwegs als früher:
- Genf–Lausanne: Der Intercity schaffte diese Strecke 1994 in 34 Minuten. Zurzeit braucht der Zug für die schnellste Verbindung 35, nächstes Jahr gar 39 Minuten.
Philipp Morf ist Verkehrsplaner und ehemaliger Angebotsplaner bei den SBB. Er sagt: «Die Auswertung von saldo zeigt, dass wir offen darüber diskutieren müssen, welche Grossprojekte sich wirklich lohnen.» Morf erarbeitete mit dem ehemaligen SBB-Chef Benedikt Weibel und Guido Schoch, dem Ex-Chef der Südostbahn, ein Konzept. Ziel: Die Züge sollen häufiger, schneller und direkter fahren. Dafür brauche es nicht viel «teuren Beton», sondern bessere Betriebsabläufe.
«Das Ziel muss ein besseres Angebot sein»
Die drei Bahnexperten setzen sich dafür ein, dass solche Verbesserungen realisiert werden, bevor teure Bahnprojekte «blind» beschlossen werden. Morf betont, dass er kein Gegner von Projekten sei: «Das Ziel muss aber ein besseres Angebot sein. Heute plant man Grossprojekte und fragt sich erst dann, welches Angebot es daraus gibt.»
Das Bundesamt für Verkehr sagt dazu: «Das Parlament kann Infrastrukturprojekte unabhängig von Angebotskonzepten beschliessen.» Die Investitionen hätten den Fahrgästen zwar nicht immer kürzere Fahrzeiten, aber mehr Sitzplätze und mehr Verbindungen gebracht.