Ernst Frei aus Steinach SG und sieben Mitstreiter probten den Aufstand – und sind juristisch gescheitert. Die Saurer-Rentner blitzten mit einer Beschwerde gegen ihre Pensionskasse vor dem Bundesverwaltungsgericht und danach vor Bundesgericht ab. Die oberste Instanz trat aus formellen Gründen gar nicht erst auf die Beschwerde ein.
Trotz der Niederlagen ist für Frei unbestritten: Die Saurer-Pensionskasse hortet unverbrauchtes Deckungskapital, Reserven und Rückstellungen in der Höhe von ungefähr 200 Millionen Franken. Dieser Betrag werde den Rentnern vorenthalten. «Das ist ein massloser Rentnerbeschiss», sagt Ernst Frei, der dieses Jahr 90 Jahre alt wird.
Die Adolph Saurer AG in Arbon TG war einst ein stolzes Schweizer Industrieunternehmen. Die Saurer-Lastwagen prägten bis in die 70er-Jahre das Strassenbild. Mit den gelben Postautos, die Saurer für die damalige PTT herstellte, fuhren viele Leute erstmals über die Alpenpässe. Und die Saurer- Textilmaschinen erlangten Weltruf. Zur Blütezeit beschäftigte Saurer 4500 Angestellte. Später zerfiel der Konzern. Übrig blieben vier kleinere Geschäftsbereiche. Die Saurer-Pensionskasse versichert heute noch 414 Erwerbstätige und zählt 427 Rentner.
Der «Saurianer» Ernst Frei kennt die Bilanzen der Pensionskasse genau. Er war von 1985 bis 1995 selber Geschäftsführer. Dank seiner Kenntnisse wurde er zum Sprecher der Rentnergruppe.
Gemäss seiner Zusammenstellung belief sich das Pensionskassenvermögen 1996 auf insgesamt 224 Millionen Franken. Die Zahl der Versicherten betrug damals rund 2030. Im Jahr 2019 zählte die Kasse nur noch 859 Versicherte. Doch das Vermögen war auf 335 Millionen Franken gestiegen. Frei rechnete nach: «Langjährigen Rentnern mit durchschnittlicher Rente wurden je bis zu 100 000 Franken vorenthalten.»
Thomas Baumer, Geschäftsführer der Saurer-Pensionskasse, widerspricht: «Die Rentner gehen von falschen Annahmen aus.» Sie nähmen an, dass das Kapital pro Versicherten über die Zeit stabil sei. Tatsache sei aber, dass seit 1995 das Kapital pro Versicherten bei jeder Pensionskasse zugenommen habe. Dafür verantwortlich seien vor allem höhere Löhne und eine längere Spardauer.
Kein Anrecht auf Rentnersitz im Stiftungsrat
2017 reichte die Rentnergruppe bei der Stiftungsaufsicht eine Aufsichtsbeschwerde ein. Sie verlangten mehr Informationen über die Finanzen und die Weitergabe des Vermögens an die Versicherten, soweit es 130 Prozent des Deckungskapitals übersteigt. Zudem forderten sie einen Rentnersitz im Stiftungsrat. Die Aufsichtsbehörde sah «keinen Handlungsbedarf».
Der Streit landete deshalb vor dem Bundesverwaltungsgericht. Im Lauf des Verfahrens erhielten die Beschwerdeführer Einsicht in sämtliche Geschäftsberichte. Gestützt darauf forderten sie für die damals 468 Pensionierten eine Erhöhung der Rente, finanziert aus den hohen Reserven der Kasse.
Die Pensionskasse verwies auf das Gesetz. Danach könne sie allein bestimmen, wie sie die freien Mittel verwenden wolle. Das wurde vom Gericht bestätigt. Es wies die «Saurianer» auch darauf hin, dass Rentner laut Gesetz keinen Anspruch auf einen Sitz im Stiftungsrat haben. Die Beschwerde wurde abgewiesen.
«Lasst Rentner und Witwen am Erfolg der Kasse teilhaben»
Ernst Frei gibt die Hoffnung nicht auf, dass die Saurer-Rentner noch zu mehr Rente kommen. Unterstützung in ihrem Kampf erhielten die aufmüpfigen Senioren von Riquet Heller. Der Arboner FDP-Stadtparlamentarier und ehemalige Staatsanwalt schrieb in einem Leserbrief in der «Thurgauer Zeitung», dass Gerichte den Rentnern kaum helfen würden, etwas vom Überschuss zu erhalten. Denn das Gesetz räume Stiftungsräten grosse Freiheiten ein bei der Verwendung der Überschüsse. Gefordert sei deshalb der Wille des Saurer-Stiftungsrats, etwas für seine Rentner zu tun. An die Arbeitnehmervertreter im Stiftungsrat appellierte Heller: «Schafft Gerechtigkeit! Lasst Rentner und deren Witwen am Erfolg der Pensionskasse wieder teilhaben! Dies, solange sie noch leben.»
Ernst Frei geht es nicht nur um die Saurer-Pensionskasse, sondern um die berufliche Vorsorge allgemein. Er kritisiert: «Es fehlen der 2. Säule wirksamere Gesetze und eine kompetente Gerichtsbarkeit.» Mit seiner Kritik ist er nicht allein. Gerhard Schwarz, der langjährige Chef des Wirtschaftsteils der NZZ, schrieb kürzlich in einem Kommentar pointiert: «Pensionskassenversicherte gehören zu den rechtlosesten Subjekten im Kapitalismus. Widerspruch mit Aussicht auf Erfolg ist nicht vorgesehen.»
Pensionskassen horteten Ende 2019 rund 165 Milliarden Franken Reserven
Die rund 1500 Pensionskassen in der Schweiz schwimmen im Geld. Ihre Kapitalreserven stiegen von Ende 2015 bis Ende 2019 von 116,4 auf 164,7 Milliarden Franken («K-Tipp» 1/2021). Dies bei einer Bilanzsumme von rund 1 Billion Franken. Bei den Reserven handelt es sich um die Differenz zwischen den Verpflichtungen der Kassen gegenüber den Versicherten und ihrem Kapital.
Die Gründe, dass immer mehr Geld der Versicherten als Reserven gehortet wird: Die Pensionskassen legen ihrer Berechnung der Renten eine zu hohe Lebenserwartung der Pensionierten zugrunde. Und gleichzeitig rechnen die Kassen übervorsichtig mit einer viel zu tiefen Rendite des Altersguthabens der Versicherten nach der Pensionierung.