Wild ist bei Schweizer Konsumenten beliebt: Laut Proviande, dem Verband der Fleischproduzenten, gehen jeden Herbst landesweit rund 4000 Tonnen Wildfleisch über die Ladentheken. Auch dieses Jahr werben die Läden gut sichtbar für ihre Wildprodukte. Mit dem Wort «saisonal» erwecken sie den Eindruck, das Fleisch stamme aus der aktuellen Jagdsaison: Auf Wild von Coop steht «Saison de la Chasse» (Jagdsaison), Lidl schmückt Rehfleisch mit dem Begriff «La Saison».
Oft ist mehr als die Hälfte des Wilds aufgetaut
Doch ein grosser Teil des zurzeit angebotenen Wilds der Supermärkte stammt nicht aus diesem Jahr. Je nach Laden wurde mehr als die Hälfte des Wildfleischs aufgetaut. Das zeigt eine Stichprobe von saldo bei Aldi, Coop, Lidl und der Migros bei abgepackten Produkten. Nur wer das Kleingedruckte auf dem Etikett liest, erkennt, ob das Fleisch frisch ist oder vorher gefroren war. Die Händler müssen es bei abgepackt verkauftem Fleisch ausdrücklich deklarieren, wenn dieses tiefgekühlt war. Wie alt das Fleisch ist, erfahren die Konsumenten nicht.
Lidl schreibt auf Anfrage von saldo, sein aktuelles Wildbret stamme aus dem Jahr 2023. Aldi, Coop und Migros bestätigen, dass ein Teil ihres Wildfleischs aufgetaut ist. Es stamme entweder aus diesem oder aus dem vergangenen Jahr. Genauere Angaben liefern die Händler nicht. Die grossen Internetfleischhändler Meat4you.ch und Farmy.ch kennzeichnen ihre Produkte ebenfalls als «saisonal». Sie schreiben, ein Grossteil des Wilds stamme aus den Jagden der Jahre 2022 oder 2023.
Dieses Fleisch war also teilweise mehr als zwei Jahre tiefgekühlt. Auch in Restaurants kommt zum Teil Wild auf den Teller, das zuvor eingefroren war. Anders als die Läden müssen dies die Wirte nicht deklarieren.
Reh und Hirsch sollten höchstens 12 Monate tiefgekühlt lagern
Laut den Detailhändlern schadet eine längere Einfrierzeit dem Wildbret nicht. «Dank seinem geringen Fettanteil lässt sich Wildfleisch ohne Qualitätseinbussen über längere Zeit tiefkühlen», schreibt Aldi. «Somit ist das Wildfleisch problemlos bis zu drei Jahre ab Produktionsdatum haltbar.» Die anderen Läden äussern sich ähnlich. Der Verband der Fleischproduzenten sieht dies allerdings anders. Im Internet schreibt Proviande, dass mageres Reh- und Hirschfleisch «maximal rund 12 Monate» eingefroren bleiben sollte.
Bei fetterem Fleisch, etwa vom Wildschein, sei die maximale Einfrierzeit noch kürzer. Fleisch, das unter minus 18 Grad Celsius gekühlt wurde, dürfe nicht lange auf diese Weise aufbewahrt werden – unabhängig davon, ob es vakuumverpackt sei oder nicht.
Mehrmals eingefrorenes Fleisch schadet der Gesundheit
Langes Tiefgefrieren ist aus hygienischer Sicht zwar noch sicher, aber es vermindert die Qualität des Fleischs: Fett wird auch im Tiefkühler mit der Zeit ranzig («K-Tipp» 2/2018). Das deutsche Bundeszentrum für Ernährung empfiehlt, Wildfleisch nicht länger als 1 Jahr einzufrieren. Wichtig: Aufgetautes Fleisch sollte man nicht erneut tiefkühlen. Denn Bakterien werden durch das Einfrieren nicht abgetötet. Sie vermehren sich beim Auftauen. Mehrmals eingefrorenes und aufgetautes Fleisch kann deshalb gesundheitlich riskant sein.
Zwei Drittel des Wilds stammen aus dem Ausland
3976 Tonnen Wildfleisch kamen 2023 in der Schweiz auf den Markt. Davon stammen 1367 Tonnen aus der Schweiz, dies geht aus der Fleischstatistik des Branchenverbandes Proviande hervor. Die restlichen 2609 Tonnen stammen aus dem Ausland.
Laut Bundesamt für Zoll kamen 2023 rund 738 Tonnen Wildfleisch aus Österreich in die Schweiz, 461 Tonnen aus Deutschland, 458 Tonnen aus Slowenien und 357 Tonnen aus Neuseeland. Der Rest stammt aus unterschiedlichen Ländern rund um die Welt.
Proviande schätzt, dass gut drei Viertel des Importwildes aus freier Wildbahn stammen, der Rest aus Zuchten. Genaue Zahlen gibt es nicht. In der Schweiz stammen gemäss Proviande etwas mehr als 10 Prozent des Wildes aus Zuchten.