Gegen Heuschnupfen gibt es Tabletten wie Grazax oder Oralair. Sie enthalten Pollen von verschiedenen Gräsern, unter anderem von Wiesen-Lieschgräsern. So soll der Körper an die Allergene gewöhnt und schliesslich immun werden. Eine Therapie dauert drei Jahre. Die Hersteller empfehlen, das Medikament mindestens vier Monate vor Beginn bis zum Ende der Pollensaison einzunehmen. Betroffene müssen täglich eine Tablette unter der Zunge zergehen lassen. 100 Grazax-Tabletten kosten im Internetshop der Winterthurer Adler Apotheke Fr. 382.80. Eine Packung Oralair mit 90 Tabletten gibts für Fr. 358.30. Die Kosten übernimmt die Krankenkasse.
Die beiden Medikamente sind nicht nur teuer, sondern auch riskant: Ärzte haben der europäischen Arzneimittelbehörde seit 2001 fast 400 Fälle von schockartigen sowie überempfindlichen Reaktionen gemeldet, in 36 Fällen wurde es lebensbedrohlich. Das berichtete das deutsche Fachblatt «Arznei-Telegramm». Danièle Bersier vom Schweizerischen Heilmittelinstitut Swissmedic sagt: «In der Schweiz mussten in den letzten zehn Jahren fünf Menschen ins Spital. In zwei Fällen war ein Leben bedroht.»
Grazax-Herstellerin Alk-Abelló und Oralair-Herstellerin Stallergenes schreiben in den Beipackzetteln,
die erste Dosis müsse unter Aufsicht eines Arztes eingenommen werden. «Schwere allergische Reaktionen» könnten aber auch im späteren Therapieverlauf auftreten. Dann ist der Patient auf sich allein gestellt.
Der Nutzen der Tabletten ist umstritten
Laut Wolfgang Becker-Brüser vom «Arznei-Telegramm» ist nicht gut belegt, dass die Tabletten überhaupt etwas nützen. Der Arzt und Apotheker sagt: «Ich kann die Therapie nicht guten Gewissens empfehlen.»
Besser belegt ist die Wirkung einer Immuntherapie mit Spritzen beim Arzt. Doch auch dabei können allergische Schocks auftreten. Der Allergologe Peter Schmid-Grendelmeier vom Unispital Zürich empfiehlt die Spritztherapie nur Patienten, die über Jahre hinweg starke Beschwerden haben. Hilfreich sei es auch, «den Pollen aus dem Weg zu gehen» – etwa die Augen mit einer Brille zu schützen, die Haare abends zu waschen und die Fenster geschlossen zu halten.
Christoph Scholtes, Präsident der Schweizerischen Ärztegesellschaft für Akupunktur, arbeitet bei Heuschnupfen hauptsächlich mit Ohrakupunktur. Die winzigen Nadeln belässt der Arzt während mehrerer Wochen in den Ohren. Betroffene müssen weniger oft zum Therapeuten als bei der klassischen Akupunktur.
Grazax-Hersteller Alk-Abelló bestätigt die Berichte von überempfindlichen Reaktionen bis hin zum allergischen Schock. Die Behörden würden aber das Nutzen-Risiko-Profil des Medikaments unverändert als positiv einschätzen. Oralair-Herstellerin Stallergenes sagt, schwere allergische Reaktionen seien die Ausnahme.