Die Pensionskassen dürfen sich freuen: Per Ende August erreichten die privatrechtlichen Kassen einen Deckungsgrad von 114,4 Prozent. Ende letztes Jahr lag er noch bei 110,3, ein Jahr zuvor bei 107,6 Prozent. Erhoben hat diese Zahlen Swisscanto, eine Firmengruppe der Kantonalbanken. Die Zahlen beruhen auf einer Umfrage bei 370 Pensionskassen mit 2,8 Millionen Versicherten und einem Vermögen von 506 Milliarden Franken.
Viele Schwarzmaler aus der Versicherungswirtschaft prophezeiten den Pensionskassen in den Krisenjahren 2008 und 2009 schlimme Zeiten. So titelte die «Sonntags-Zeitung» am 20. Juli 2008 reisserisch: «Pensionskassen: 55 Milliarden Franken weg – Experten verlangen Senkung des Mindestzinssatzes.»
Heute ist klar: Die Schwarzmalerei war unbegründet. Die Pensionskassen erholten sich seit der Bankenkrise im Rekordtempo. Der aktuelle Deckungsgrad von 114,4 Prozent ist sogar um einiges höher als zuvor. Im Jahr 2004 lagen die Reserven bei 110,1 Prozent.
Deckungsgrad ist weit höher als tatsächlich nötig
Der momentane Deckungsgrad bedeutet, dass die zu aktuellen Kursen bewerteten Vermögenswerte Ende August um 14,4 Prozent grösser waren als die Verpflichtungen für laufende oder zukünftige Renten oder Freizügigkeitsleistungen. Das ist weit mehr als nötig. In einem 100-prozentigen Deckungsgrad sind teilweise bereits Reserven enthalten, beispielsweise in den Verwaltungskosten.
Verluste hätten die Kassen im Krisenjahr 2008 nur erlitten, wenn sie alle ihre Wertschriften damals tatsächlich verkauft hätten. Das taten sie aber nicht. Denn Pensionskassen können langfristig handeln: In der Regel spart ein Angestellter in der 2. Säule 40 Jahre lang Gelder an und bezieht über 20 Jahre Renten. Die Kassen können mit dem Verkauf von Aktien also zuwarten, bis sich die Kurse erholen.
Bei den in der Finanzkrise prophezeiten Verlusten handelt es sich nur um Buchverluste. Heute ist sogar mehr Geld in den Kassen als vor der Finanzkrise. Von 2004 bis heute haben die Vorsorgeeinrichtungen gemäss Swisscanto-Chef Gerard Fischer im Schnitt 41 Prozent Rendite erzielt. Zum Vergleich: Die Verzinsung der Sparguthaben lag in der gleichen Periode bei 29 Prozent.
Nur ein Bruchteil der Gewinne geht an die Versicherten
Die Kassen erwirtschaften die Gewinne mit dem Geld der Versicherten. Und sie entscheiden jedes Jahr, wie viel des Gewinns den Erwerbstätigen als Zins gutgeschrieben oder in Form von Rentenerhöhungen weitergegeben wird. In beiden Fällen sind sie sehr knausrig. Letztes Jahr erzielten die Kassen im Schnitt eine Rendite von 6,26 Prozent, ein Jahr zuvor waren es gar 7,17 Prozent. Doch viele Kassen vergüten die Altersguthaben der Erwerbstätigen nur zum Mindestzins. Dieser lag im letzten Jahr bei 1,5 Prozent, dieses Jahr bei 1,75 Prozent. Und von Rentenerhöhungen können die meisten Pensionierten nur träumen.
Genau diese Politik bringt Jahr für Jahr Milliarden für die Reserven. 2013 betrug das von den Pensionskassen verwaltete Guthaben der Erwerbstätigen gemäss unabhängigen Experten rund 450 Milliarden Franken. Dazu kommen Guthaben von Rentnern von rund 420 Milliarden. 2013 erwirtschafteten die Kassen mit den Guthaben der Angestellten eine Rendite von 28 Milliarden Franken. Sie verzinsten das Kapital der erwerbstätigen Versicherten im Schnitt laut Swisscanto mit 2,17 Prozent. Das kostet sie 10 Milliarden. Unter dem Strich bleibt ein Überschuss von 18 Milliarden.
Die Guthaben der Rentner wurden durchschnittlich mit einem technischen Zinsfuss von 2,89 Prozent berechnet. Somit blieben 14 Milliarden Überschuss. Total landeten also 32 Milliarden in den Reservetöpfen der Kassen statt auf den Konten der Versicherten. Das zeigt auch: Die Kassen äufnen ihre Reserven vor allem mit dem Geld der Erwerbstätigen, weil sie ihnen weniger Zinsen gutschreiben, als sie erwirtschaften.
Mindestzinssatz bleibt wohl auf den mickrigen 1,75 Prozent
Der Mindestzinssatz ist für die Erwerbstätigen von zentraler Bedeutung. Je mehr Zins sie während der Arbeitstätigkeit auf ihrem angesparten Alterskapital erhalten, desto höher ist im Alter die Rente. Der Bundesrat legt den Zinssatz jährlich aufgrund der Empfehlung der Pensionskassenkommission fest. Wenn es nach dieser geht, sollen Guthaben im obligatorischen Teil auch nächstes Jahr weiterhin nur zu mindestens 1,75 Prozent verzinst werden müssen. Das entschied die Kommission an der Sitzung vom 1. September mit 11 zu 6 Stimmen. Die Vertreter der Angestellten, Rentner und Behinderten unterlagen mit ihrem Antrag auf eine Erhöhung auf 2 Prozent. Der Bundesrat wird Ende Oktober oder Anfang November definitiv entscheiden.
Da es sich um einen Mindestzins handelt, sind die Kassen frei, den Versicherten auch mehr Geld gutzuschreiben. Im Schnitt verzinsten die Kassen 2013 das Alterskapital aber nur mit 2,17 Prozent. Einen neuen Weg geht die Vita-Sammelstiftung. Diese Kasse mit 115 000 aktiven Arbeitnehmern beschränkt ihren Deckungsgrad neu auf 106 Prozent. «Unsere Risikoanalysen zeigen, dass uns Wertschwankungsreserven von 6 Prozent genügen», sagt Geschäftsführer Samuel Lisse. Was darüber hinausgeht, schüttet die Vita den Versicherten aus. Zu hohe Reserven seien unfair gegenüber den Versicherten, welche die Stelle wechselten oder pensioniert würden, erklärt Lisse. «Sie erhalten die Reserven nicht ausgezahlt, obwohl ihr Geld mitgeholfen hat, das Polster anzulegen.»