Der Rentner lebt am Stadtrand von Zürich in einer Genossenschaftswohnung. An einem regnerischen Nachmittag im Januar erscheint er allein zu seinem Termin am Zürcher Mietgericht. Er hat seine Vermieterin eingeklagt, eine Wohnbaugenossenschaft in Leimbach. Diese schickt eine Vertreterin und einen Anwalt. Das Mietgericht tagt in Dreierbesetzung.
Zuerst erhält der Rentner das Wort. «Die Genossenschaft soll die Mietverträge mit allen Bewohnern unseres Mehrfamilienhauses ändern», verlangt er. Sie solle sämtliche Geräte mit «hochfrequenter Strahlung» verbieten. Dazu gehören WLAN-Router, also Geräte zum drahtlosen Internetzugang, und Funktelefone. Der Mieter beruft sich dabei auf Artikel 12 im Mietvertrag. Dort steht, dass alle Mieter zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet seien.
20 Funknetze strahlen in die Wohnung des Rentners
Der Rentner lebt seit 1976 in der Genossenschaftswohnung. «Schon vor 40 Jahren kaufte ich ein Gerät, das Elektrosmog misst», erklärt er. Er besitze nur Geräte, bei denen das Messgerät Grün anzeige. Mit seinem strahlungsarmen Smartphone habe er bereits vor Jahren festgestellt, dass bis zu vier WLAN-Netze in seine Wohnung strahlten. «Die Genossenschaft sagte damals, sie könne nichts dagegen tun.» Nun finde er auf seinem Handy bereits über 20 Funknetze.
«Mir ist oft unwohl und ich bin immer müde»
Das bereite ihm gesundheitliche Probleme: «Ich habe Schlafstörungen. Mir ist oft unwohl und ich bin immer müde.» Und nicht nur er sei von der Strahlung betroffen. Im Haus wohnten viele Kinder und ältere Leute, die sich nicht selbst gegen die Strahlen wehren könnten. Das deutsche Bundesamt für Strahlenschutz empfehle, wenn möglich über Kabel ins Internet zu gehen oder den WLAN-Router nicht an einem Ort aufzustellen, an dem sich oft Leute aufhalten.
«Es ist allgemein bekannt, dass jegliche Strahlung, auch solche unter dem Grenzwert, gesundheitsschädigend ist.» Zum Schluss zitiert der Rentner aus einem Interview mit einem Arzt, der für die EU eine grossanlegte Untersuchung zur Wirkung hochfrequenter Strahlung leitete: «Die Grenzwerte schützen die Interessen der Mobilfunkindustrie, nicht aber die Gesundheit.»
Der Anwalt der Genossenschaft hält dagegen: «Die gesetzlichen Grenzwerte werden eingehalten.» Deshalb sei die Klage abzuweisen. Zudem sei nicht bewiesen, dass Strahlung unter dem Grenzwert gefährlich sei. Das Bundesgericht habe in einem ähnlichen Fall klargestellt, dass es keine Handhabe für ein Verbot gebe, wenn die Grenzwerte eingehalten würden.
Das will der Rentner so nicht stehen lassen. «Die Grenzwerte sind völlig willkürlich», wirft er ein. Nur mit einem Kabel sei man auf der sicheren Seite. Er wolle mit den Vertragsänderungen eine definitive Lösung für alle Mieter herbeiführen.
Gericht: Änderung des Mietvertrags ist «schwierig»
Die Richter beraten sich. Nach zwanzig Minuten teilt der Vorsitzende den Anwesenden die Einschätzung des Gerichts mit: Es sei zwar edel, wie der Kläger auch die anderen Mieter schützen wolle. Das Gericht könne aber keine neuen Gesetze erlassen, sondern nur bestehende Gesetze anwenden. Es liege keine erhebliche Störung durch die anderen Mieter und auch kein Mangel an der Mietsache vor, wenn der Grenzwert nicht überschritten werde. Der Vermieter könne zwar von Anfang an WLAN verbieten, eine Änderung des Mietvertrags sei jedoch «schwierig».
Die beiden Parteien versuchen, sich auf einen Vergleich zu einigen. Am Ende entscheidet sich der Rentner, seine Klage zurückzuziehen. Er übernimmt die Gerichtsgebühren von 2000 Franken und zahlt der Genossenschaft 3000 Franken für die Anwaltskosten.
Der Mieter muss die Ursache des Gesundheitsproblems beweisen
Laut Gesetz müssen Mieter «auf Hausbewohner und Nachbarn Rücksicht nehmen». Im Streitfall brauchts einen
Nachweis der Beeinträchtigung.
Dazu gehört auch, dass Mieter mit ihrem Verhalten die Gesundheit der Mitbewohner nicht beeinträchtigen. Fehlt es an der notwendigen Rücksichtnahme, können sich betroffene Mieter an den Eigentümer wenden. Ändert sich trotz Reklamation nichts, haben sie Anspruch auf eine angemessene Mietzinsreduktion. Voraussetzung für eine erfolgreiche Klage ist der Nachweis der Beeinträchtigung und des Kausalzusammenhangs mit dem Fehlverhalten anderer Mieter.