Er habe keine Erfahrung mit Gerichtsprozessen, stellt der 77-jährige Kläger gleich zu Beginn der Verhandlung vor dem Bezirksgericht Zürich klar. Er führe diesen Prozess auch stellvertretend für viele andere Kunden von Lycamobile. Die Telekommunikationsfirma mit Sitz in London ist in der Schweiz vor allem als Verkäuferin von SIM-Karten bekannt.
Der Rentner fordert von Lycamobile 1700 Franken. 1000 Franken davon seien angefallen, weil die Firma seine SIM-Karte von einem Tag auf den anderen und ohne vorherige Information deaktiviert habe. Die Telefonnummer sei keine gewöhnliche gewesen: Aufgrund der Zahlenkombination – viele Ziffern hätten sich wiederholt – habe es sich um eine sogenannte «Topnummer» gehandelt. Diese sei wertvoll, der Verlust der Nummer entsprechend schmerzhaft und kostspielig. Gemäss einem Quervergleich mit anderen Firmen wie der Swisscom resultierten unter dem Strich Wiederbeschaffungskosten von 1000 Franken, rechnet der Kläger vor.
Weitere 500 Franken entfielen auf das Restguthaben, das er zum Zeitpunkt der SIM-Deaktivierung durch die Lycamobile noch auf seiner Karte gehabt habe. Die übrigen 200 Franken seien auf einen Ausfall zurückzuführen. Dabei sei die SIM-Karte unbrauchbar gewesen und der Kläger habe Einbussen in entsprechender Höhe erlitten. Er sei zwar Rentner, als Personal Trainer für die Pro Senectute aber immer noch berufstätig.
Der Kläger fügt seiner Forderung happige Vorwürfe an die Adresse der Beklagten an: Die Firma habe ihm nie mitgeteilt, dass seine SIM-Karte deaktiviert würde. Sie sei «dubios» und operiere immer wieder «ausserhalb der Gesetze», behauptet der 77-Jährige.
SIM-Karte mit «Topnummer» unter der Hand erhalten
Lycamobile lässt sich beim Prozess von einem Anwalt vertreten. Dieser bezeichnet die Ausführungen des Klägers als «unflätig». «Er versucht hier Stimmung gegen die Beklagte zu machen.» Dabei habe sie auch «Tausende zufriedene Kunden». Der Anwalt verlangt die vollständige Abweisung der Klage. Eine «Topnummer» mit mehreren gleich lautenden Ziffern habe der Kläger von Lycamobile nie erhalten. Tatsächlich hatte zuvor auch der Kläger angegeben, dass ihm die spezielle Nummer von einem Kioskbetreiber «unter der Hand» ausgehändigt worden sei – Lycamobile habe diese später aber freigeschaltet.
Der Anwalt bestreitet, dass Lycamobile den Kläger nicht informiert habe, bevor die SIM-Karte gesperrt wurde. Er habe die Nummer drei Monate lang nicht benutzt, die AGB sähen in diesem Fall eine Deaktivierung vor. Der Kläger sei per SMS über die Abschaltung informiert worden. Das Restguthaben habe nicht 500, sondern lediglich 24 Franken betragen.
Der Einzelrichter legt den Parteien seine Beurteilung des Falles dar. Das Prozessrisiko des Klägers sei hoch. Das heisst: Ein Urteil würde eher zugunsten von Lycamobile ausfallen. Die spezielle Rufnummer habe der Rentner «eher durch Glück» erhalten, nämlich durch die Vermittlung des Kioskbetreibers.
Der Richter glaubt nicht, dass ein entsprechender Anspruch gegenüber Lycamobile besteht. Betreffend Ablauf der Sperrung tendiert der Richter zur Version der Beklagten. Es sei wahrscheinlich, dass der Kläger per SMS informiert worden sei. Dieser könne auch nicht nachweisen, dass das Restguthaben zum Zeitpunkt der Sperrung 500 Franken betragen habe.
Als «50:50» beurteilt der Richter das Prozessrisiko im Zusammenhang mit den «Umtrieben» von 200 Franken, die der Kläger geltend machte, weil er die SIM-Karte nicht für Geschäftliches benutzen konnte. Dem Gericht habe er einen Lohnausweis der Pro Senectute beigelegt, er habe für diese also gearbeitet. Auszugehen sei jedoch von einem tiefen dreistelligen Betrag.
Die Parteien schliessen einen Vergleich, in dem der Kläger auf seine geltend gemachten Ansprüche verzichtet. Lycamobile verzichtet auf eine Prozessentschädigung, und der Rentner übernimmt die Gerichtskosten in der Höhe von 195 Franken.
Prozesskosten: Der Verlierer bezahlt
Je mehr Geld ein Kläger fordert, desto höher sind die Prozesskosten. Das Gericht verpflichtet im Urteil den Verlierer des Prozesses, die Gerichtskosten zu tragen und der Gegenpartei eine Entschädigung für den Anwalt zu zahlen. Gewinnt eine Partei nur zum Teil, verteilt das Gericht die Kosten je nach Ausgang des Prozesses – etwa zur Hälfte auf beide Parteien. Der Kläger sollte daher nicht zu viel einfordern. Er kann zunächst auch nur einen Teil der Forderung einklagen, um das Risiko zu reduzieren. Tipp: Wenn eine Partei durch einen Anwalt vertreten wird, sollte die andere auch einen beauftragen. Sonst sind die Spiesse vor Gericht sehr ungleich. Die formellen Anforderungen im Behauptungs- und Beweisverfahren sind in Zivilprozessen hoch.