Am Flughafen Genf mietete der Russe Iwan Burkow im August einen Renault Austral bei der Autovermietung Alamo. Als er den Wagen abholte, erhielt er ein Schadensprotokoll. Darauf vermerkt waren «kleine Kratzer» auf der Motorhaube sowie Schäden an den beiden Vorderrädern. Bei der Rückgabe vier Tage später begutachtete ein Alamo-Mitarbeiter das Auto erneut und bestätigte mündlich, dass keine neuen Schäden vorhanden seien, erzählt Burkow.
Kurze Zeit später erhielt er von Alamo per E-Mail ein Übergabeprotokoll. Darin war nun von «kleinen Kratzern» an der hinteren Stossstange die Rede. Knapp zwei Wochen später bekam er erneut ein E-Mail, diesmal mit einer Rechnung im Anhang. Sie stammte von der Firma Helvetic Motion AG mit Sitz in Kloten ZH. Diese vermietet in der Schweiz Autos der US-amerikanischen Enterprise-Gruppe. Dazu zählen neben Alamo die Marken National und Enterprise.
Burkow sollte für den angeblichen Schaden an der Stossstange Fr. 1984.40 und zusätzlich 250 Franken für Mietausfall und Bearbeitungsgebühren zahlen. Iwan Burkow reklamierte umgehend: Der Schaden sei nicht während der Zeit seiner Automiete entstanden. Erst gegen Ende September erhielt er Fotos des angeblich verursachten Schadens – 22 Tage nach dem Ende der Miete. Helvetic Motion belastetete darauf Burkows Kreditkarte mit über 2200 Franken.
Im Nachhinein 1800 Franken für angeblichen Schaden verlangt
Auch andere Kunden erhielten von Helvetic Motion ungerechtfertigte Rechnungen. Sie sagen, dass sie für Schäden zur Kasse gebeten worden seien, die schon vor Mietantritt vorhanden waren. Das gilt etwa für Marcel Büchi, Schweizer mit Wohnsitz in Singapur: Sein Mietwagen, ein Cupra Formentor, wies bei der Entgegennahme am Flughafen Zürich gemäss Schadensprotokoll an sieben Stellen Schäden auf. Bei der Rückgabe war scheinbar alles in Ordnung.
Im Nachhinein verlangte Helvetic Motion aber Fr. 1817.70 für «Steinschlag» auf der Windschutzscheibe. Mit der Rechnung erhielt Büchi auch ein Schadensprotokoll, auf dem der angebliche Schaden vermerkt war. Dieses Papier hatte er nie unterschrieben. Er wehrte sich: Da er die Autoscheibe bei der Übernahme fotografiert hatte, konnte er belegen, dass die Schäden schon bei Mietbeginn bestanden hatten.
Im Vertrag von Alamo heisst es an die Adresse des Mieters: «Ich trage die volle Verantwortung und bin absolut haftbar für alle Verluste oder Schäden am Mietwagen, unabhängig von der Ursache, unabhängig vom Verschulden.» Solche Klauseln sind in der Branche üblich. Sie finden sich auch bei Autovermietern wie etwa Avis, Europcar und und Sixt.
Autovermieter müssen Schäden belegen können
Auch wenn der Mieter einen solchen Vertrag unterzeichnet, muss er nur für Schäden aufkommen, die während der Mietdauer entstanden sind. Rechtsprofessor Hardy Landolt aus Zürich bestätigt: «Beweispflichtig für einen Schaden sind die Autovermieter.» Automieter können nicht für Schäden belangt werden, die bei der Rückgabe nicht auf dem unterzeichneten Schadensprotokoll aufgeführt sind. Eine nachträglich zugesandte Rechnung mit Fotos eines angeblichen Schadens genügt dafür nicht.
Wer eine solche Forderung erhält, muss nicht zahlen. Wurde das Geld zu Unrecht über die Kreditkarte abgebucht, kann man es zurückfordern. Iwan Burkow erhielt bislang kein Geld zurück. Die Helvetic Motion AG sagt dazu: Der Schaden sei während der Mietdauer entstanden, deshalb liege die Verantwortung beim Kunden. Bei Marcel Büchi zeigte sich: Es kann sich lohnen, hartnäckig zu bleiben. Er schickte eine Reklamation mit allen Beweisfotos an eine Konsumentenschutzorganisation in den USA, wo die Firma Enterprise ihren Sitz hat.
Danach ging es schnell: Büchi erhielt nach wenigen Wochen sein Geld zurück.
Unberechtigte Kosten vermeiden
- Übernahme des Mietwagens: Ohne entsprechenden Vermerk im Vertrag gilt der Wagen als schadenfrei übernommen. Daher sollten Mieter Karosserie, Reifen, Scheiben und Innenraum gründlich prüfen und allfällige Schäden im Vertrag vermerken. Tipp: Zusätzlich Fotos von allen vorhandenen Schäden machen – falls möglich mit Zeitstempel. Bei der Foto-App des Handys ist dieser in der Regel standardmässig eingestellt.
- Rückgabe: Es ist Sache des Vermieters, den Wagen zu überprüfen und neue Schäden in einem Protokoll zu vermerken. Fehlt ein solches, kann der Vermieter nachträglich keine Schäden belegen.
- Rechnungskontrolle: Haben Mieter einen Schaden verursacht, müssen sie dafür nicht jeden Preis bezahlen. Sie können von der Vermietung eine Rechnung für die Reparatur verlangen. Wird der Schaden nicht repariert, muss höchstens der Minderwert des Wagens bezahlt werden.
- Versicherung: Auseinandersetzungen mit Autovermietern kann man gelassen entgegensehen, wenn man die Haftpflichtund die Vollkaskoversicherung ohne Selbstbehalt abschliesst oder den Selbstbehalt versichert. Dann muss die Versicherung für allfällige Schäden aufkommen. Bei einer Automiete ist meist eine Vollkaskoversicherung für Schäden inbegriffen. Wer im Schadenfall keinen Selbstbehalt bezahlen will, kann diesen versichern. Mit einer separaten Police ist das günstiger als bei den Mietwagenfirmen (saldo 9/2023).