Letzten Frühling reiste saldo-Leser Thomas Rössler (Name geändert) nach Bilbao in Nordspanien. Wegen des schlechten Wetters landete der Pilot schon in Bordeaux (F). Von dort wurden die Passagiere per Bus nach Bilbao transportiert. Der Reisende erreichte die Stadt erst nachts gegen 2 Uhr statt um 17.30 Uhr.
Rössler hatte vor der Reise auf der Internetseite Ferienmietwagen.ch des Touring Clubs Schweiz (TCS) ein Mietauto für fünf Tage reserviert. Kostenpunkt: 404 Franken. Die Reservationsbestätigung erhielt er vom deutschen TCS-Partner, dem Allgemeinen Deutschen Automobil-Club (ADAC). Vermieterin war die Firma Enterprise.
Wegen seiner verspäteten Ankunft in Bilbao konnte Rössler den gebuchten Mietwagen nicht zum vereinbarten Zeitpunkt um 18.30 Uhr am Flughafen abholen. Er versuchte nach der Landung in Bordeaux, das Enterprise-Büro in Bilbao telefonisch über die Verspätung zu informieren. Dort nahm niemand ab. Auch die Telefon-Hotline des TCS war nicht erreichbar.
Rössler schickte dem TCS ein E-Mail auf die angegebene Kundendienstadresse und bat um Rückruf. Niemand meldete sich. Zum Glück hatte Rössler Bekannte in Spanien. Sie holten ihn mitten in der Nacht vom Flughafen Bilbao ab und brachten ihn nach Santander, dem Ziel seiner Reise.
Am nächsten Morgen meldete sich der TCS und riet Rössler, sich an Enterprise zu wenden, um sein Mietauto zu erhalten. Doch Enterprise winkte ab: Rössler habe seine Miete nicht wie vereinbart angetreten. Wenn er ein Auto wolle, müsse er neu buchen – und zahlen. Eine Rückerstattung für das bereits bezahlte Auto gebe es nicht.
Der Deutsche Automobil-Club warnte vor «mieser Masche»
In den allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) für den Mietvertrag, den Rössler via den TCS und den ADAC mit Enterprise abgeschlossen hat, steht tatsächlich: «Wird das Fahrzeug nicht zur gebuchten Zeit am gebuchten Tag abgeholt, verfällt der Anspruch auf das Mietfahrzeug.»
Und weiter: «Im Falle einer Nichtabholung zum vereinbarten Zeitpunkt wird der gesamte Mietpreis einbehalten. Eine Erstattung ist ausgeschlossen.» Interessant: Letzten Sommer warnte der ADAC im Internet vor genau solchen Vertragsklauseln und bezeichnete diese als «miese Masche».
Eine saldo-Stichprobe zeigt: Auch andere Vermittler kennen solche kundenfeindlichen AGB. Bei der Anmietung eines Autos von Europcar über Booking.com heisst es: «Wenn Sie sich verspäten, kann es sein, dass das Auto nicht mehr verfügbar ist. Sie haben keinen Anspruch auf eine Rückerstattung.»
Die gleiche Formulierung findet sich in den Bedingungen des Mietwagenvermittlers Rentalcars.com. Und auf der Plattform Check24.de heisst es: «Im Falle einer verspäteten Ankunft erhalten Sie keine Rückerstattung, ausser die Buchung wurde 24 Stunden im Voraus storniert.»
Frédéric Krauskopf, Professor für Vertragsrecht an der Universität Bern, kritisiert die Regelungen auf der TCS-Seite Ferienmietwagen.ch als unübersichtlich und widersprüchlich. Zudem könne eine solche No-ShowKlausel ungewöhnlich, wenn nicht sogar unlauter sein. Schliesslich müsse man bei Abschluss des Mietvertrags nicht davon ausgehen, dass man bei leichter Verspätung jegliche vertraglichen Rechte verliere.
Patrick Oppelt, Jurist beim Europäischen Verbraucherzentrum, teilt diese Meinung: «Diese Klauseln sind unzulässig.» Das heisst: Kunden haben entweder Anspruch auf ein Auto für die verbliebene Mietdauer oder auf eine Erstattung – allenfalls abzüglich einer Gebühr für den entstandenen Aufwand.
Berufung aufs Kleingedruckte «war rechtsmissbräuchlich»
Der ADAC verteidigt seine Mietbedingungen. Die Bezeichnung solcher Vertragsklauseln als «miese Masche» sei «möglicherweise etwas überspitzt» gewesen. Aus rechtlicher Sicht könne man nicht von Abzocke reden.
Der TCS räumt ein, der Fall von Thomas Rössler sei «nicht im Sinne des TCS» verlaufen: «Tatsächlich scheint hier die Berufung auf die Klausel rechtsmissbräuchlich.» Und: Rössler hätte die Hilfe des TCS in Anspruch nehmen können, um trotz Verspätung ein Auto zu erhalten. Inzwischen sei die TelefonHotline für Mietwagenkunden 24 Stunden erreichbar. Dies sei im letzten Frühling noch nicht der Fall gewesen.
Tipp: Mietautos vorgängig nur reservieren und erst bei der Übergabe bezahlen. Die meisten Buchungsseiten im Internet bieten dafür die Option «Später bezahlen».
Mietwagen: Das gilt bei Verspätungen
- Falls absehbar ist, dass ein gemietetes Auto nicht zum vereinbarten Termin übernommen werden kann, sollten Sie dies dem Verleiher sofort melden. In den Buchungsunterlagen ist eine Telefonnummer der Vermietungsstelle angegeben. Reisen Sie mit Bahn oder Flugzeug an, geben Sie am besten die Nummer des Zugs oder des Flugs auf dem Vertrag an.
- Oft gilt eine Toleranz von 30 Minuten bis zu einer Stunde über den vereinbarten Abholzeitpunkt hinaus. Für diese Zeit sichert die Mietwagenfirma zu, das reservierte Auto nicht weiterzugeben.
- Bei der Buchung eines Mietwagens über eine Vermittlungsplattform können andere Bedingungen gelten als bei der Direktbuchung bei einem Verleiher. Beispiel Europcar: Bei einer Buchung via Booking.com wird ein Anspruch auf die Erstattung der vorausbezahlten Miete bei Verspätung ausgeschlossen. Bei der Buchung direkt auf Europcar.ch hingegen heisst es, im Falle einer Verspätung werde eine vorausbezahlte Buchung erstattet, abzüglich einer Gebühr.
- Hertz verlangt bei einer Direktbuchung gemäss Mietbedingungen eine Entschädigung, falls Kunden das Auto nicht zur vereinbarten Zeit abholen. Die Kosten werden erlassen, «wenn Kunden nachweisen, dass sie nicht selbst für den Schaden verantwortlich sind».