Reiche Ausländer wissen die Schweizer Spitäler zu schätzen. Der algerische Präsident Bouteflika zum Beispiel lag im vergangenen Jahr wochenlang in Genfer Kliniken. Auch der saudische König, Scheichs und russische Oligarchen liessen sich schon in der Schweiz behandeln.
Für Schweiz Tourismus sind es bisher zu wenige. Die grösstenteils mit Steuergeldern finanzierte Marketingorganisation vereinbarte deshalb eine Kooperation mit rund 20 Privatkliniken. Diese wollen die Schweiz zum «weltweit führenden Reiseziel» für Gesundheitstouristen machen. Zuerst wollen sie versuchen, Patienten aus Russland, China und den Golfstaaten zu gewinnen.
Budget von 700 000 Franken pro Jahr
Schweiz Tourismus wird dazu eine Website aufschalten. Zudem rührt die Organisation im April auf einer Messe in Dubai die Werbetrommel und umgarnt mit Hilfe von Schweizer Botschaften Vermittler. Das Budget für diese Aktivitäten beträgt laut Schweiz Tourismus rund 700 000 Franken – pro Jahr. Die Hälfte steuere man selbst bei, für die andere Hälfte kämen die Spitäler auf.
Was Schweiz Tourismus noch weiter vereinbarte, bleibt vertraulich. Schweiz Tourismus und die Spitäler weigern sich, die Verträge offenzulegen.
Eine Studie der Schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften warnt, dass Medizintouristen die Ärzte und das Pflegepersonal überproportional beanspruchen und Schweizer Patienten in der Intensivpflege verdrängen könnten.
Die Kampagne kommt vor allem Privatkliniken zugute. Vier beteiligte Spitäler gehören zur Hirslanden-Gruppe, sieben zum Swiss Medical Network. Beide Konzerne bestreiten Nachteile für Schweizer Patienten.
Markus Berger von Schweiz Tourismus sagt, seine Organisation akquiriere keine Patienten direkt. Die Kampagne fördere den Medizintourismus generell: «Davon profitiert die gesamte Tourismusbranche.» Denn jeder Kranke aus dem Ausland bringe durchschnittlich mehr als zwei Begleiter mit. Diese sorgten für eine bessere Auslastung von Hotels und Restaurants auch in der Nebensaison. Die Kampagne soll laut Schweiz Tourismus den jährlichen Umsatz mit Medizintouristen bis in zwei Jahren von 190 Millionen auf 245 Millionen Franken steigern. «Das ist sehr optimistisch», sagt Roland Lymann, Tourismusexperte an der Hochschule Luzern. Schweiz Tourismus laufe Gefahr, die Strahlkraft des Schweizer Gesundheitswesens zu überschätzen. Nicht alle Disziplinen seien Spitze. Kliniken in Deutschland, Österreich und den USA würden um die gleichen Kunden buhlen.
Millionen-Subventionen brachten keinen Erfolg
Kein Wunder, scheiterten bereits zwei frühere Versuche, den Medizintourismus anzukurbeln. Der Verein Swiss Health beackerte von 2008 an die Regionen Naher Osten, Russland und China. 2018 wurde der Verein aufgelöst. Das Staatssekretariat für Wirtschaft hatte ihn mit 1,1 Millionen Franken finanziert. Lucerne Health warb ab 2011 um Medizintouristen für die Stadt. Fünf Jahre später gab der Verein auf. Die Konkurrenz privater Spitäler aus der Westschweiz sei zu stark. Der Kanton hatte 150 000 Franken investiert. Der Kanton Graubünden unterhält ebenfalls eine Geschäftsstelle für Medizintourismus. Das Budget beträgt 200 000 Franken pro Jahr.
Kommt hinzu: Die Zielgruppe ausländische Patienten ist kleiner als vermutet. Schweiz Tourismus gibt für das Jahr 2017 knapp 36 000 ausländische Patienten an. Doch diese Zahl berücksichtigt auch ungeplante Spitalbehandlungen, etwa von verunfallten Skifahrern. Laut Bundesamt für Statistik kamen 2019 nur 12 600 Patienten für geplante stationäre Spitalaufenthalte in die Schweiz, die Hälfte davon aus Deutschland und Frankreich. 391 Patienten stammten aus dem Nahen Osten, 358 aus China und 457 aus Ländern der Ex-Sowjetunion.