Redaktion Postfinance
Postfinance sponsert seit Jahren das Gratisblatt «20 Minuten». Das hinterlässt Spuren.
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saldo 06/2017
29.03.2017
Sven Zaugg/Beni Frenkel
Postfinance baut bis zum Jahr 2020 zahlreiche Stellen ab. Das teilte der Personalverband Transfair letzten November den Medien mit. Die «Handelszeitung» sah «Hunderte von Stellen in Gefahr» und der «Landbote» schrieb: «Die Mitarbeiter zittern.» Anders «20 Minuten». Das Gratisblatt schrieb eine Positivmeldung: «Postfinance braucht künftig weniger Personal.»
Ein anderes Beispiel: Ende Januar ging bei de...
Postfinance baut bis zum Jahr 2020 zahlreiche Stellen ab. Das teilte der Personalverband Transfair letzten November den Medien mit. Die «Handelszeitung» sah «Hunderte von Stellen in Gefahr» und der «Landbote» schrieb: «Die Mitarbeiter zittern.» Anders «20 Minuten». Das Gratisblatt schrieb eine Positivmeldung: «Postfinance braucht künftig weniger Personal.»
Ein anderes Beispiel: Ende Januar ging bei der E-Banking-Plattform von Postfinance nichts mehr. Die Kunden waren aufgebracht. «20 Minuten online» fragte bei Postfinance-Sprecher Johannes Möri nach. Antwort: «Über das gesamte Jahr betrachtet erreichen wir bei E-Finance eine Verfügbarkeit von mehr als 98 Prozent.» Die Redaktion von «20 Minuten» übernahm die Antwort unkommentiert. Auf die Idee nachzurechnen, kam niemand: Wenn die Verfügbarkeit bei 98 Prozent liegt, dann wäre die E-Banking-Plattform von Postfinance an vollen acht Tagen im Jahr nicht verfügbar gewesen!
Postfinance sponsert Wirtschaftsressort
Diese unkritische Berichterstattung ist kein Zufall: Postfinance finanziert seit 2009 die Wirtschaftsseiten von «20 Minuten». Das Unternehmen schaltet Inserate und wirbt mit journalistisch aufgemachten Beiträgen. Tamedia-Sprecherin Nicole Bänninger gibt offen zu: «Postfinance sponsert die Wirtschaftsrubrik von ‹20 Minuten›.» Sie sagt, die Zusammenarbeit mit Postfinance habe keinen Einfluss auf die journalistische Arbeit.
saldo weiss, dass Postfinance jährlich mindestens 1 Million Franken an «20 Minuten» überweist. Weder Postfinance noch «20 Minuten» kommentieren die Summe.
Bezahlte Artikel für Chefredaktor kein Problem
Der Leser von «20 Minuten online» findet unter der Rubrik «Wirtschaft» neben redaktionellen Texten auch solche von Postfinance. Nur in Kleinstschrift steht über dem Titel: «Paid Post».
Beispiele: Im Artikel «Beste Unterhaltung mit digitalen Gütern» bewirbt ein namenloser Autor die Postfinance-App. Im Artikel «Was man über Fondsanlagen wissen muss» wird der Postfinance-Fondssparplan erklärt.
Für Chefredaktor Marco Boselli ist das kein Problem. Bezahlte Artikel weise man «immer transparent» als «Paid Post» oder «Sponsored» aus.
Medienwissenschafter Vinzenz Wyss von der Universität Zürich nennt solche Texte «Kuckuckseier». Wyss: «Wer den Leser auf keinen Fall täuschen will, hätte weit mehr Möglichkeiten, Transparenz zu schaffen.»