Die Gebühr für die Entsorgung einer Mikrowelle beträgt 56 Rappen, für eine Taschenlampe 40 Rappen, für einen Fernseher 6 Franken und für eine Tiefkühltruhe Fr. 27.78. Wer ein Elektrogerät kauft, zahlt heute meist bereits an der Kasse dafür, dass die Geräte nach Gebrauch umweltgerecht zerlegt, die Wertstoffe wiederverwendet und die Reste entsorgt werden. Kunden können ausgediente Geräte bei jedem Elektrohändler abgeben.
Das Recycling erledigen brancheneigene Stiftungen. Sie bekommen die Recyclinggebühr von den Händlern ausgezahlt. Die Stiftung Sens kümmert sich vor allem um Haushaltsgeräte, Swico um Unterhaltungselektronik und Computer. Die Teilnahme am System ist freiwillig: Über tausend Schweizer Händler und Importeure machen mit, ausländische Versandhändler nicht. Ausnahme: Wer einen PC oder eine Spielkonsole bei Amazon kauft, zahlt automatisch eine Recyclinggebühr.
Gebührenausfall kann nicht mit Zahlen belegt werden
Sens-Präsident Andreas Röthlisberger sagt, dass der Stiftung durch Einkaufstouristen, Versandhandel, deutsche Küchenbauer und Schweizer Händler, die nicht mitmachen, jedes Jahr 3 bis 4 Millionen Franken an Recyclinggebühren entgehen. Dazu gehören Händler wie Hornbach oder Otto’s. Röthlisberger beruft sich auf Zahlen einer Studie zum «Einkaufstourismus».
Der Haken: Die «Studie» ist eine Bachelorarbeit an der Fachhochschule Nordwestschweiz von 2014. Zahlen nennt die Autorin Gabriela Steinemann nicht. Sie schreibt vielmehr, «eine abschliessende Aussage» zur Höhe des Gebührenausfalls sei «nicht möglich». Auf Nachfrage räumt Sens-Geschäftsführerin Heidi Luck ein: «Konkrete Zahlen lassen sich aus der Studie direkt nicht ableiten.»
Der grünliberale Zürcher Nationalrat Martin Bäumle klagte im Juni in der Umweltkommission, dass «immer mehr Trittbrettfahrer» das bewährte freiwillige Recyclingsystem der Branche unterlaufen und finanziell «gefährden». Die Umweltkommissionen von National- und Ständerat fordern, dass künftig alle Händler und Importeure Gebühren abführen.
Es ist aber unklar, ob «Trittbrettfahrer» tatsächlich das Recyclingsystem der Branche ausnützen. Otto’s sagt, man zahle Gebühren an die Lieferanten. Diese leiteten das Geld an Sens weiter. Otto’s und Hornbach erklären, eigene Recyclingsysteme zu betreiben. Die Kunden könnten gebrauchte Elektrogeräte kostenlos abgeben.
Schlecht geht es den Recyclingorganisationen nicht. Sens verbuchte im vergangenen Jahr ein Plus von rund 4 Millionen Franken. Swico schloss das letzte Geschäftsjahr mit einem Überschuss von 1,3 Millionen ab. Geschäftsführer Jean-Marc Hensch sagt, dass es bei Büro-, IT- und Unterhaltungselektronik-Geräten keine «Trittbrettfahrer» oder «nennenswerten Importe» gebe, auf die keine vorgezogenen Beiträge bezahlt würden. Er sieht «für Swico keinen Handlungsbedarf».