Herr und Frau Schweizer sind Weltmeister in Sachen Recycling», hält Schweiz Tourismus auf seiner Website stolz fest. Und die Internetzeitung Watson.ch titelte im August: «Darum sind wir Schweizer Recycling-Weltmeister.»
Ein Blick auf die neusten Zahlen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zeigt ein anderes Bild. Demnach liegt die Schweiz mit einer Recyclingquote von 53 Prozent auf Platz sechs – hinter Deutschland, Südkorea, Österreich, Slowenien und Belgien. «Recycling-Weltmeister» sind also die Deutschen mit einer Quote von 66 Prozent (siehe Grafik oben). Im Jahr 1991 führte die Schweiz die OECD-Liste mit einer Quote von 31 Prozent noch an.
Schweizer produzieren am zweitmeisten Abfälle
Einen unrühmlichen Spitzenplatz nehmen die Schweizer aber noch immer ein: Im Jahr 2015 produzierten sie nach den Dänen am zweitmeisten Siedlungsabfälle – nämlich 742 kg pro Einwohner. Die USA liegt mit 735 kg pro Kopf knapp hinter der Schweiz (siehe Grafik im PDF).
Siedlungsabfälle umfassen alles, was die Kehrichtabfuhr vor der Haustür abholt: Haushaltsmüll, einen Teil des Gewerbeabfalls, Strassenkehricht, Grünabfälle, Küchen- und Kantinenabfälle. Aber auch Sammlungen von Glas, Papier oder Bio-Abfällen zählt die OECD dazu.
Die Organisation führt genau Buch: Anorganisches Material, das in einer Recycling-Anlage landet, gilt als verwertet. Genauso wie kompostierte oder vergärte Grünabfälle aus Küchen und Gärten.
Die Recyclingquote ergibt sich aus den Gewichtsanteilen der verwerteten Materialien im Verhältnis zum Gesamtgewicht der Siedlungsabfälle.
Deutschland hat bei Glas und Papier die Nase vorn
Deutschland und Österreich weisen schon seit vielen Jahren eine bessere Recyclingquote auf als die Schweiz. Was machen die beiden Nachbarländer besser? Ein direkter Vergleich erweist sich als schwierig. Doch die Zahlen der OECD sowie die detaillierten Abfallbilanzen der einzelnen Länder lassen gewisse Schlüsse zu:
Es fällt auf, dass in Deutschland – im Gegensatz zur Schweiz – nicht der ganze eingesammelte Hausmüll in der Kehrichtverbrennungsanlage landet. In manchen Regionen geht der Hausmüll zuerst in ein Sortierwerk. Immerhin 17 Prozent des Hausmülls können so noch stofflich verwertet werden. Das heisst: Fast jeder fünfte Abfallsack wird nicht verbrannt. Das lässt die Recyclingquote ansteigen.
Die Nase vorn hat Deutschland auch bei den Separatsammlungen: Bei Glas, Papier, Karton, Kunststoffen, Elektrogeräten und Metall kommen die Deutschen auf 237,3 kg Recyclingmaterial pro Kopf. In der Schweiz sind es 229,6 kg – und das trotz verhältnismässig grösserem Abfallberg.
Österreich produziert rund 24 Prozent weniger Siedlungsabfälle pro Einwohner als die Schweiz. Dennoch kompostiert und vergärt das östliche Nachbarland mehr Grünabfälle. Konkret: Die Schweizer kommen auf 150 kg pro Kopf, die Österreicher auf 175 kg.
Michael Hügi, Entsorgungsexperte beim Bundesamt für Umwelt, räumt ein, dass bei der Verwertung von Bio-Abfällen Verbesserungspotenzial besteht. «Das ist eine Baustelle. Viel Grünabfall landet im Kehricht, weil es längst nicht überall eine Grüngutsammlung gibt.» Beim Kunststoff setzt die Schweiz laut Hügi auf Qualität statt Quantität. Verwertet würden die Kunststoffe PET und PE, weil da eine Nachfrage bestehe. Zudem sei das Sammelgut viel reiner als in den Nachbarländern.
Die Schweiz kommt deshalb beim Kunststoff auf eine Recyclingquote von nur 10,3 Prozent (saldo 11/2015). Österreich hingegen verarbeitet die Hälfte der gesammelten Kunststoffe zu neuen Produkten. Finanziert wird das mit einer vorgezogenen Recycling-Gebühr auf Kunststoffprodukten. So werden Ressourcen geschont und Treibhausgasemissionen vermieden.