Zweifel-Chips, Knorr-Fertigsuppen oder Vegi-Würstli von der Migros: Hersteller setzen vielen Lebensmitteln Raucharoma aus dem Labor zu – auch solchen, bei denen es Konsumenten nicht unbedingt vermuten würden. Statt traditionell über Holz geräuchert, werden die Lebensmittel mit einer Aromalösung eingesprüht oder durch eine Flüssigkeit mit Raucharoma gezogen.
Raucharoma ist eine «kostengünstige Alternative» zum echten Räucherprozess, wie zum Beispiel der deutsche Detailhändler Rewe offen zugibt. Zudem wird teilweise behauptet, die Aromen seien gesünder als der echte Rauch, weil sie angeblich weniger heikle Stoffe enthalten. So preist etwa der St. Galler Internetshop Peppers.ch seinen Flüssigrauch für den Heimgebrauch als eine «gesundheitsschonende Alternative zum klassischen Räuchern» an.
Schon in kleinsten Mengen bedenklich
Doch die europäische Lebensmittelbehörde EFSA kam nun nach einer Bewertung sämtlicher in der Europäischen Union und der Schweiz zugelassenen Raucharomen zum Schluss: Die Substanzen können Genmutationen auslösen und damit «das Risiko von Krebs und Erbkrankheiten erhöhen». Und zwar bereits in kleinsten Mengen, wie ein Sprecher auf Anfrage von saldo bestätigt. Es gibt beim Raucharoma keinen als sicher geltenden Schwellenwert.
Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung teilt die Einschätzung der EFSA, dass Raucharoma «nicht mehr als gesundheitlich unbedenklich angesehen werden» kann. Wer Gesundheitsrisiken vermeiden will, sollte also keine solchen Produkte konsumieren.
Detailhändler und Bundesamt für Lebensmittel warten ab
Erkennbar ist Raucharoma auf der Zutatenliste der Produkte. Hersteller müssen es als «Raucharoma» deklarieren. Es findet sich zum Beispiel in
- «Paprika Original Chips» (Zweifel)
- «Snack Day Smokey Paprika Crinkle Cut Chips» (Lidl).
- «Snack Mandeln, geröstet, BBQ-Geschmack» (Aldi)
- «Bündner Gerstensuppe» (Knorr)
- «Bell Barbeque Pulled Beef» (Coop)
- «Betty Bossi Poulet Cordon Bleu Le Gruyère» (Coop)
- «Cornatur Hot Dog» (Migros)
- «Milfina Raclette Käse Raucharoma, Scheiben» (Aldi)
- «Rauchige BBQ Sauce» (Bull’s Eye)
Lebensmittel, die auf der Etikette als «geräuchert» beworben werden, müssen in echtem Rauch gehangen haben. saldo fand bei einer Stichprobe zwei angeblich «geräucherte» Produkte, die gemäss der Zutatenliste auch Raucharoma enthalten: «Qualité & Prix Pouletbrust geräuchert» von Coop und «Freiburger Bauernwurst» aus der Migros. Coop schreibt, die Pouletbrust werde in einer Darmhülle geräuchert. An der Innenseite der Hülle sei Raucharoma aufgetragen, das sich «auf das Produkt überträgt». Gemäss Migros wird die Freiburger Bauernwurst geräuchert, erhält aber noch Raucharomen «zur Geschmacksintensivierung und Farbgebung».
Trotz der Warnung der EU-Lebensmittelbehörde sehen die meisten Hersteller und Detailhändler keinen Anlass, die Produkte aus dem Regal zu nehmen. Coop will zuwarten und «bei Bedarf Massnahmen ergreifen». Aldi, Knorr und Migros weisen darauf hin, dass Raucharoma von den Behörden zugelassen sei. Lidl will eine «eingehende Prüfung zur künftigen Verwendung von Raucharomen einleiten». Zweifel sagt, man werde die Rezeptur anpassen, «sobald eine optimale Variante zur Verfügung» stehe.
Das für die Zulassung zuständige Bundesamt für Lebensmittelsicherheit hat die Konsumenten bislang nicht über das mögliche Risiko von Raucharoma informiert. Es wartet weiterhin ab. «Wir haben Kenntnis von der Bewertung der EFSA. Sollte die EU Raucharomen verbieten, wird die Schweiz das Verbot übernehmen», sagt eine Sprecherin saldo.
Auf Zutatenliste achten
Steckt in einem Lebensmittel Raucharoma, muss das mit dem Begriff «Raucharoma» in der Zutatenliste deklariert sein. Verwendet ein Hersteller dagegen den Begriff «geräuchert» oder «Rauch», muss das Produkt nach traditioneller Art in echtem Rauch gehangen haben.
Im Gegensatz zum Raucharoma verlängert das Räuchern die Haltbarkeit. Allerdings entstehen beim Verbrennen von Holz sogenannte Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK). Diese sind ebenfalls krebserregend und können sich gemäss dem Bundesamt für Gesundheit in «beträchtlichen Mengen» in Lebensmitteln anreichern.
Traditionell geräucherte Esswaren sollten deshalb massvoll konsumiert werden. Das gilt beispielsweise für Rollschinken und Lachs.