Die Überschrift sticht ins Auge: «Exklusives Angebot für Mitglieder – Mehrfachzeichnung von Anteilscheinen.» Unter diesem Titel macht die Raiffeisenbank Höfe SZ in diesen Tagen ihrer Kundschaft das Angebot, zusätzliche Anteilscheine der Raiffeisengenossenschaft zu zeichnen. Kunden von Raiffeisen, die Kredite beanspruchen, müssen zwingend mindestens einen Anteilschein kaufen. So werden sie Mitglied der Genossenschaft. Der Anteilschein kostet je nach Bank 200 bis 500 Franken.
Eine Raiffeisenbank nach der andern unterbreitet zurzeit ihren Genossenschaftsmitgliedern die Möglichkeit, zusätzliche Scheine zu zeichnen – im Fall der Raiffeisenbank Höfe SZ bis zum Gesamtwert von maximal 9800 Franken. Die Bank stellt eine Verzinsung von 2,5 Prozent in Aussicht.
Die Raiffeisenbank Region Stans NW lädt zur Zeichnung zusätzlicher Anteilscheine bis maximal 5000 Franken und schreibt im Begleitbrief: «Für sämtliche Anteilscheine erhalten Sie einen Vorzugszins von derzeit 3 Prozent.»
Angesichts der aktuellen Tiefzinssituation können diese Angebote verlockend wirken. Doch sie haben verschiedene Haken, über die auch das beigelegte Informationsblatt nur teilweise aufklärt:
- Der in Aussicht gestellte Zins ist nicht garantiert. Er ist lediglich eine Prognose für das laufende Geschäftsjahr. Der Zins wird jährlich neu festgelegt – und das rückwirkend für das vergangene Jahr. Rund 100 Raiffeisenbanken beantragen der Generalversammlung für das Jahr 2014 eine Verzinsung der Anteilscheine zwischen 0 und 4 Prozent, rund 200 eine solche von über 4 Prozent. Die höchstmögliche Verzinsung liegt laut Statuten bei 6 Prozent. Bei schlechtem Geschäftsverlauf ist eine Null-Verzinsung möglich.
- Die Anteilscheine sind nicht wie etwa Spargelder durch die Einlagensicherung gedeckt. Mit dem Anteilschein beteiligt sich dessen Besitzer am Eigenkapital der betreffenden Raiffeisenbank. Sollte sie in Schwierigkeiten geraten, ist diese Beteiligung nicht geschützt. Raiffeisen behält sich ausdrücklich vor, die Rückzahlung der Anteilscheine zu verweigern, «insbesondere dann, falls die Eigenmittel der Raiffeisen-Gruppe den gesetzlichen Eigenmittelanforderungen nicht genügen».
- Das in Anteilscheine investierte Kapital ist blockiert. Die Scheine verfügen über eine unbeschränkte Laufzeit. Im Unterschied zu einer Aktienbeteiligung an einer Gesellschaft kann man die Anteilscheine an einer Raiffeisen-Genossenschaft bei Bedarf nicht einfach verkaufen. Die Rückzahlung ist nur im Todesfall oder beim Austritt aus der Genossenschaft vorgesehen. Wer zum Beispiel einen Raiffeisen-Hypothekarkredit hat, kann seine Mitgliedschaft während der Kreditlaufzeit nicht kündigen.
Dennoch ist das Risiko eines Verlustes gering. Denn die Raiffeisengruppe mit ihren 305 Genossenschaftsbanken ist eine Risikogemeinschaft, die gegenseitig haftet. Die ganze Gruppe müsste ins Schlingern geraten, damit das Mitgliedschaftskapital der Genossenschafter ernsthaft gefährdet wäre.
Selbst dann wäre das Verlustrisiko der einzelnen Mitglieder aber eng begrenzt. Denn gemäss Statuten können pro Mitglied im Maximum Anteilscheine im Gegenwert von 20 000 Franken gezeichnet werden. Viele Genossenschaften setzen diese Obergrenze tiefer an. Damit läuft kaum jemand Gefahr, sich mit seinem ganzen Vermögen an Raiffeisen zu beteiligen.
Eigenkapital: Raiffeisen-Zentrale macht Druck auf Genossenschaften
Es kommt nicht von ungefähr, dass die einzelnen Raiffeisengenossenschaften über die Zeichnung von zusätzlichen Anteilscheinen mehr Eigenkapital beschaffen wollen. Seit die Nationalbank Mitte 2014 Raiffeisen als viertes Finanz- institut – nach UBS, Credit Suisse und der ZKB – zur systemrelevanten Bank erklärt hat, steht die Genossenschaft unter Druck, ihr Eigenkapital zu erhöhen. Sie muss jetzt mittels eines Notfallplans aufzeigen, wie die Bank einen Krisenfall bewältigen könnte, ohne auf Steuergelder zurückzugreifen.
Raiffeisen bestreitet einen Zusammenhang zwischen Notfallplan und der Zeichnung zusätzlicher Anteilscheine durch die Genossenschafter. Eine Sprecherin sagt aber: «Die Raiffeisenbanken mit einer tiefen Eigenmittelquote sind von Raiffeisen Schweiz auf die Möglichkeit der Ausgabe von zusätzlichen Anteilscheinen hingewiesen worden, um ihre ‹lokale› Eigenmittelquote zu stärken.»
Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz betont regelmässig die gute Kapitalisierung der Bankengruppe. Ende 2014 wies sie eine Gesamtkapitalquote von 15,3 Prozent aus. Damit übertrifft sie den Zielwert der Aufsichtsbehörde Finma – 14,8 Prozent – nur knapp. Würde die Anforderung verschärft, hätte Raiffeisen zu wenig Eigenkapital.